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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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in diese Stadt gebracht, richtig, Teuerste?«
    Natalie sah sie an.
    Melanie Fuller schüttelte traurig den Kopf. »Ich verspüre keinen Wunsch, Ihnen etwas zuleide zu tun, Teuerste, aber wenn Sie nicht freiwillig mit mir sprechen, muß ich Vincent bitten, Ihnen auf die Sprünge zu helfen.«
    Natalies Herz klopfte, als sie sah, wie das weiße Monster einen Schritt nach vorn kam und stehenblieb.
    »Wo haben Sie die Fotografie her, Teuerste?«
    Natalie versuchte, genügend Speichel im Mund zusammenzubringen, daß sie sprechen konnte. »Mr. Hodges.«
    »Mr. Hodges hat sie Ihnen gegeben?« Melanie Fullers Tonfall war skeptisch.
    »Nein. Mrs. Hodges hat uns seine Dias durchsehen lassen.«
    »Wer ist >uns<, Teuerste?« Die alte Frau lächelte dünn. Das Kerzenlicht schien auf Wangenknochen, die die Haut spannten, als drückten Messerklingen gegen Pergament.
    Natalie sagte nichts.
    »Dann gehe ich davon aus, daß mit >uns< der Sheriff und Sie gemeint sind«, sagte Melanie Fuller leise. »Aber warum um alles in der Welt kommen Sie und ein Polizist aus Charleston den weiten Weg, um eine alte Frau zu behelligen, die Ihnen nichts getan hat?«
    Natalie spürte Zorn in sich aufsteigen, der ihre Gliedmaßen mit Kraft erfüllte und Schwäche und Entsetzen vertrieb. »Sie haben meinen Vater getötet!« schrie sie. Ihr Rücken schrammte über rauhen Stein, als sie aufzustehen versuchte.
    Die alte Frau sah verwirrt drein. »Ihren Vater? Das muß ein Irrtum sein, Teuerste.«
    Natalie schüttelte den Kopf und kämpfte die heißen Tränen zurück. »Sie haben Ihren gottverdammten Diener benützt, um ihn zu töten. Vollkommen grundlos.«
    »Meinen Diener? Mr. Thorne? Ich fürchte, Sie sind verwirrt, Teuerste.«
    Gern hätte Natalie das Ungeheuer mit den blauen Haaren angespuckt, aber sie fand keine Spur Speichel im Mund.
    »Wer sucht sonst noch nach mir?« fragte die alte Frau. »Sind Sie und der Sheriff allein? Wie sind Sie mir hierher gefolgt?«
    Natalie rang sich ein Lachen ab; es hörte sich an, als rasselten Saatkörner in einer leeren Blechdose. »Alle wissen, daß Sie hier sind. Wir wissen alles über Sie und den alten Nazi und Ihre andere Freundin. Sie können keine Menschen mehr töten. Einerlei, was Sie mir auch antun, Sie sind am Ende ...« Sie verstummte, weil ihr Herz so heftig klopfte, daß es in der Brust weh tat.
    Die alte Frau sah zum erstenmal erschrocken aus. »Nina?« sagte sie. »Hat Nina Sie geschickt?«
    Einen Augenblick sagte der Name Natalie überhaupt nichts, aber dann erinnerte sie sich an das dritte Mitglied des Trios, das Saul Laski beschrieben hatte. Sie erinnerte sich an Robs Schilderung der Morde im Mansard House. Natalie sah in Melanie Fullers vor Entsetzen geweitete Augen und erblickte Wahnsinn darin. »Ja«, sagte Natalie, die wußte, daß sie möglicherweise ihr eigenes Todesurteil unterschrieb, aber um jeden Preis zurückschlagen wollte, »Nina hat mich geschickt. Nina weiß, wo Sie sind.«
    Die alte Frau taumelte zurück, als hätte man ihr ins Gesicht geschlagen. Ihr Mund verzerrte sich vor Angst. Sie klammerte sich haltsuchend am Türrahmen fest, sah das Ding an, das sie Vincent genannt hatte, mußte feststellen, daß sie von ihm keine Hilfe erwarten konnte, und keuchte: »Ich bin müde. Wir reden weiter. Später.« Die Tür wurde zugeschlagen, Riegel vorgeschoben.
    Natalie kauerte in der Dunkelheit und zitterte.
    Das Tageslicht zeigte sich als dünne graue Streifen über und unter der dicken Tür. Natalie döste fiebrig und mit Kopfschmerzen. Sie erwachte mit einem Gefühl inneren Drucks. Sie mußte sich erleichtern, hatte aber keine Möglichkeit dazu, nicht einmal einen Topf. Sie hämmerte gegen die Tür und brüllte, bis sie heiser war, bekam aber keine Antwort. Schließlich fand sie einen lockeren Stein in der gegenüberliegenden Ecke, pulte daran, bis sie ihn herausgezogen hatte und benützte die kleine Nische als Latrine. Als sie damit fertig war, zog sie ihre Dicken näher zur Tür und blieb schluchzend dort liegen.
    Es war wieder dunkel, als sie erschrocken aufwachte. Die Riegel wurden zurückgeschoben, die dicke Tür geöffnet. Vincent stand alleine draußen.
    Natalie kroch rückwärts und tastete nach dem lockeren Stein, um ihn als Waffe zu benützen, aber der Junge war innerhalb von Sekunden über ihr, packte ihr Haar und zog sie in die
    Höhe. Er legte den linken Arm um ihren Hals und drückte ihr Luft und Willenskraft ab. Natalie schloß die Augen.
    Das weiße Ungeheuer zerrte sie grob

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