Kraft des Bösen
seinen kalten blauen Augen auf. »Regen Sie sich wieder ab, Mann. Wenn wir es machen, dann richtig. Taylor ist fort und redet mit Eduardo und seinen Jungs. G. R. und G. B. sind rüber nach Grumblethorpe und sehen sich um. Leila und die Mädchen sehen nach, wo die ganzen Bundesbullen stecken.«
»Ich geh’ allein«, sagte Gentry und wandte sich ab.
»Nein«, sagte Marvin. »Wenn Sie dem Haus zu nahe kommen, erkennen die Bundesbullen Sie, und dann ist unsere Überraschung im Arsch. Sie warten, bis wir soweit sind, oder wir lassen Sie hier, Mann.«
Gentry drehte sich um. Marvin stand auf, als der große weiße Sheriff sich über ihn beugte. »Du mußt mich umbringen, um mich am Gehen zu hindern«, sagte Gentry.
»Ja«, sagte Marvin. »Das stimmt.«
Die Spannung in dem Raum war greifbar. Jemand schaltete irgendwo im Haus ein Radio ein, und in den wenigen Sekunden, bis es abgeschaltet wurde, drang Motown-Musik durch das Haus.
»Ein paar Stunden, Mann«, sagte Marvin. »Ich weiß, was Sie durchmachen. Paar Stunden. Wir machen es gemeinsam, Mann.«
Gentrys hünenhafte Gestalt entspannte sich langsam. Er hielt die rechte Hand hoch, Marvin ergriff sie und verschränkte die Finger mit seinen. »Ein paar Stunden«, sagte Gentry.
»Genau, Bruder«, sagte Marvin und lächelte.
Gentry saß allein auf einer Matratze im verlassenen ersten Stock und reinigte und ölte die Ruger zum drittenmal an diesem Tag. Die einzige Lichtquelle bildete die hängende Lampe mit dem beschädigten Tiffanyschirm. Dunkle Flecken sprenkelten den Filz des Billardtischs.
Saul Laski trat in den Lichtkreis, sah sich zögernd um und kam zu dem sitzenden Gentry.
»Hallo, Saul«, sagte Gentry, ohne aufzusehen.
»Guten Abend, Sheriff.«
»Da wir schon eine Menge zusammen durchgemacht haben, Saul, würde ich mich freuen, wenn Sie mich Rob nennen würden.«
»Abgemacht, Rob.«
Gentry ließ den Zylinder der Ruger wieder einrasten und drehte ihn. Dann schob er sorgfältig und konzentriert die Patronen hinein, eine nach der anderen.
Saul sagte: »Marvin hat schon die ersten Teams losgeschickt. In Zweier- und Dreiergruppen.«
»Gut.«
»Ich habe beschlossen, mit Taylors Gruppe zu gehen - zum Kommandozentrum. Das war mein Vorschlag. Ein Ablenkungsmanöver.«
Gentry sah kurz auf, »Gut.«
»Nicht daß ich nicht dort sein sollte, wenn sie diese Fuller stellen«, sagte er, »aber ich glaube, ihnen ist nicht klar, wie gefährlich Colben sein kann .«
»Ich verstehe«, sagte Gentry. »Haben sie gesagt, wann es losgehen wird?«
»Kurz nach Mitternacht«, sagte Saul.
Gentry legte die Waffe weg und zog die Matratze an der Wand hoch wie ein Kissen. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. »Es ist Silvester«, sagte er. »Glückliches neues Jahr.«
Saul nahm die Brille ab und reinigte sie mit einem Kleenex. »Sie und Natalie Preston sind sich nähergekommen, richtig?«
»Sie blieb nur noch ein paar Tage in Charleston, nachdem Sie gegangen waren«, antwortete Gentry. »Aber Sie haben recht, wir sind uns etwas nähergekommen.«
»Eine bemerkenswerte junge Frau«, sagte Saul. »Sie gibt einem das Gefühl, als würde man sie schon jahrelang kennen. Eine sehr intelligente und einfühlsame junge Dame.«
»Woll«, sagte Gentry.
»Es besteht eine Möglichkeit, daß sie noch lebt«, sagte Saul.
Gentry sah zur Decke. Die Schatten dort erinnerten ihn an die Flecken auf dem Billardtisch. »Saul«, sagte er, »wenn sie noch am Leben ist, werde ich sie aus diesem Alptraum herausholen.«:
»Ja«, sagte Saul. »Das glaube ich Ihnen. Sie müssen mich jetzt entschuldigen, ich möchte noch eine oder zwei Stunden schlafen, bevor die Festivitäten anfangen.« Er ging zu einer Matratze beim Fenster.
Gentry sah noch eine Zeitlang zur Decke. Später, als sie nach oben kamen und nach ihm suchten, war er bereit und wartete schon.
31. Kapitel
Germantown: Mittwoch, 31. Dezember 1980
Das Zimmer war fensterlos und sehr kalt. Es war mehr ein Schrank als ein Zimmer, zwei Meter lang, einen Meter zwanzig breit, mit drei Wänden aus Stein und einer dicken Holztür. Natalie hatte gegen die Tür getreten und gehämmert, bis ihre Fäuste geschwollen waren, aber die Tür hatte nicht nachgegeben. Sie wußte, das dicke Eichenholz mußte außen massive Scharniere und Riegel haben.
Die Kälte hatte sie geweckt. Zuerst war Panik wie Erbrochenes in ihr hochgestiegen, drängender und schmerzhafter als die Schnitte und Blutergüsse an der Stirn. Sie
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