Kraft des Bösen
anflogen.
Oberst Anderson sah zum wolkenlosen Himmel. »Ich frage mich, was die Russen denken, was hier los ist.«
»Scheiß auf die Russen«, sagte Ketchum. »Heute mußte ich mir von jedem bis rauf zum Vizepräsidenten in den Arsch treten lassen. Wenn ich wieder reingehe, wartet er schon in der Leitung. Jeder einzelne will wissen, was passiert ist. Was soll ich ihnen sagen, Steve?«
»Wir hatten früher schon Probleme gehabt«, sagte Anderson. »Aber nichts Vergleichbares. Sie haben Walters’ letzten Psychobericht gesehen. Vor zwei Monaten. Er war durchschnittlich intelligent, unverheiratet, reagierte gut auf Streß, zeigte nur innerhalb der Streitkräfte Ambitionen, befolgte Befehle bis aufs iTüpfelchen, gehörte letzten Herbst beim A> schußwettbewerb von Vanderburg zur Siegermannschaft und hatte nicht mehr Fantasie als dieser Salbeibusch da drüben. Perfektes Profil für einen Missilejockey.«
Ketchum zündete sich eine Zigarre an und sah finster durch den Rauch. »Also, was ist dann verdammt noch mal passiert?«
Anderson schüttelte den Kopf und sah zu dem anfliegenden Helikopter. »Es ergibt einfach keinen Sinn. Walters wußte, daß die allerletzte Aktivierungssequenz der Flugkörper zusammen mit zwei anderen Schlüsseln in einem separaten Kontrollzentrum erfolgen mußte. Er wußte, daß die Computer bei der T-5- Sekunden-Marke stoppen würden, wenn diese Bestätigung ausblieb. Er hat sich und Beale für nichts und wieder nichts getötet.«
»Haben Sie die Notiz?« knurrte Ketchum um die Zigarre herum.
»Ja, Sir.«
»Geben Sie her.«
Walters’ letzte Nachricht war in Plastik eingehüllt, obwohl Ketchum darin keinen Sinn sehen konnte. Nach Fingerabdrücken mußten sie sie auf jeden Fall nicht untersuchen. Die Schrift freilich konnte man durch das Zellophan deutlich lesen:
WvB an CAB
Königsbauer auf LDL6. Schach.
Sie sind am Zug, Christian.
»Eine Art Code, Steve?« fragte Ketchum. »Sagt Ihnen diese Schachscheiße etwas?«
»Nein, Sir.«
»Glauben Sie, CAB ist das Civil Aeronautics Board?«
»Klingt nicht besonders logisch, Sir.«
»Und was soll dieser Quatsch von wegen Christian? War Walters etwa ein wiedergeborener Christ oder so?«
»Nein, Sir. Der Kaplan des Stützpunkts hat gesagt, daß der Lieutenant Unitarier war, den Gottesdienst aber nie besucht hat.«
»W und B könnten für Walters und Beale stehen«, überlegte Ketchum, »aber was bedeutet das v in der Mitte?«
Anderson schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, Sir. Vielleicht kommen die Leute vom Geheimdienst oder dem FBI dahinter. Ich glaube, der grüne Hubschrauber bringt den FBI- Typen aus Denver.«
»Ich wünschte mir von Herzen, die müßten nicht auch noch ihre Nasen hineinstecken«, knurrte Ketchum. Er nahm die Zigarre aus dem Mund und spie aus.
»So will es das Gesetz, Sir«, sagte Anderson. »Sie müssen hinzugezogen werden.«
General Ketchum warf dem Oberst einen Blick zu, bei dem dieser den Kopf senkte und sich plötzlich ungeheuer für die Bügelfalten seiner Hosen interessierte. »Na gut«, sagte Ketchum schließlich und schnippte die Zigarre in Richtung des Grenzzauns, »reden wir mit diesen Zivilistenhitzköpfen. Himmelarsch, schlechter kann der Tag nicht mehr werden.« Ketchum machte auf dem Absatz kehrt und schritt auf die ferne Delegation zu.
Oberst Anderson lief zu der Stelle, wo der General die Zigarre hingeschnippt hatte, vergewisserte sich, daß der Stumpen aus war, und sputete sich dann, damit er seinen Vorgesetzten einholte.
43. Kapitel
Melanie
Irgendwie schien die Welt sicherer geworden zu sein.
Licht fiel sanft zu den Vorhängen und Läden herein und schien auf vertraute Oberflächen; das dunkle Holz am Fußteil meines Betts, den hohen Schrank, den meine Eltern im Jahr der Hundertjahrfeier in Auftrag gegeben hatten, meine Haarbürsten, die fein säuberlich auf dem Frisiertisch lagen wie immer, und die Steppdecke meiner Großmutter, die am Fußende des Betts lag.
Es war angenehm, einfach nur hierzusein und das emsige Hin und Her der Menschen im Haus zu hören. Howard und Nancy bewohnten das Gästezimmer direkt neben meinem Schlafzimmer, das Zimmer, das einmal Mutter und Vater gehört hatte. Schwester Oldsmith schlief auf einem Feldbett leben der Tür meines Zimmers. Miß Sewell verbrachte eine Menge Zeit in der Küche, wo sie für alle die Mahlzeiten zubereitete. Dr. Hartman wohnte vorgeblich in dem Haus auf der anderen Seite des Hofs, aber er verbrachte wie die anderen die
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