Kraft des Bösen
wie immer in meinem geliebten Süden. Manchmal gestattete ich Culley, mich ins Nähzimmer zu tragen, und einmal - nur einmal - nach draußen, wo ich mich auf dem Sofa entspannte, während der Negerjunge damit beschäftigt war, den Garten vorzubereiten. Culley, Howard und Dr. Hartman hatten hohe Zäune um das ganze Grundstück herum gezogen, an der Rückseite sogar einen drei Meter hohen undurchsichtigen Zaun, daher waren neugierige Augen kein Problem. Es gefiel mir nur nicht, mich dem Sonnenlicht unmittelbar auszusetzen. Viel erfreulicher fand ich es, wenn ich Justins Wahrnehmung teilte, während dieser im Gras saß, oder mich zu Miß Sewell gesellte, die nackt auf der Veranda sonnenbadete.
Die Tage wurden länger und wärmer. Eine sanfte Brise wehte zu meinen offenen Fenstern herein. Ab und zu hörte ich Kreischen und Gelächter von Mrs. Hodges’ Enkelin und deren Freundin vom Hof erschallen, aber dann wurde mir klar, daß es sich um andere Kinder aus dem Viertel handeln mußte.
Die Tage rochen nach frisch gemähtem Gras, die Nächte nach Geißblatt. Ich fühlte mich sicher.
44. Kapitel
Beverly Hills: Donnerstag, 23. April 1981
Am frühen Nachmittag des Donnerstag lag Tony Harod auf einem Doppelbett im Beverly Hilton Hotel und dachte über die Liebe nach. Er hatte sich früher nie besonders für das Thema interessiert. Für Harod war Liebe eine Farce, die Tausende Banalitäten ausgelöst hatte; sie war die Entschuldigung für all die Lügen, Selbsttäuschungen und Scheinheiligkeiten, die die Beziehungen zwischen den Geschlechtern bestimmten. Tony Hirold war stolz auf die Tatsache, daß er Hunderte Frauen gevögelt hatte, möglicherweise Tausende, ohne je so zu tun, als wäre er in eine verliebt gewesen, auch wenn er manchmal dachte, daß er in den letzten Sekunden ihrer Unterwerfung, im Augenblick seines Orgasmus etwas verspürte, das Liebe gleichkam.
Jetzt war Tony Harod verliebt.
Er mußte ständig an Maria Chen denken. Seine Handflächen und Finger konnten sich an die exakte Beschaffenheit ihrer Haut erinnern. Er träumte von ihrem betörenden Geruch. Ihr dunkles Haar, die dunklen Augen und das sanfte Lächeln schwebten am Rand seines Bewußtseins wie ein Bild an der Peripherie seiner Wahrnehmung - flüchtig und im Nu verblassend. Selbst wenn er ihren Namen aussprach, fühlte er sich seltsam in seinem Innersten.
Harod verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah zur Decke. An den zerwühlten Laken haftete noch der Meeresduft von Sex. Im Bad prasselte die Dusche.
Harod und Maria Chen führten ihr alltägliches Leben wie gehabt. Sie brachte ihm jeden Morgen die Post an den Jacuzzi, nahm Anrufe entgegen, kam zum Diktat und begleitete ihn ins Studio, wo sie die Dreharbeiten zu The White Slaver besuchten und das Filmmaterial des vergangenen Tages begutachteten. Die Studiosequenzen waren wegen Problemen mit der britischen Gewerkschaft von Pinehurst zu Paramount verlegt worden, und Harod begrüßte diese Änderung, weil er so die Möglichkeit hatte, die Produktion zu überwachen, ohne wochenlang fort von zu Hause sein zu müssen. Tags zuvor hatte Harod Aufnahmen mit Janet Delacourte gesehen - der achtundzwanzigjährigen Kuh, die die Rolle einer kindlichen Siebzehnjährigen spielte -, und sich plötzlich Maria Chen in der Hauptrolle vorgestellt, Maria Chens subtiles Mienenspiel anstelle von Delacourtes übertriebenen Grimassen, Maria Chens verlockende und sinnliche Nacktheit anstelle der blassen, plumpen Nacktheit des weißen Starlets.
Harod und Maria Chen hatten seit Philadelphia erst dreimal miteinander geschlafen - eine Zurückhaltung, die Harod nicht verstand, die ihn aber mit einem Verlangen nach ihr erfüllte, das vom Körperlichen ins Seelische überging; sie beherrschte sein Denken fast den ganzen Tag. Allein wenn er ihr zusah, wie sie das Zimmer durchquerte, war es eine Freude für Tony Harod.
Die Dusche wurde abgestellt, dann hörte Harold das gedämpfte Geräusch des Abtrocknens und das Rauschen eines Föns.
Harod versuchte sich ein Leben mit Maria Chen vorzustellen. Sie besaßen zusammen soviel Geld, daß sie einfach weggehen und zwei bis drei Jahre ein Leben mit allem Komfort führen könnten. Sie konnten überallhin gehen. Harod hatte schon immer alles hinschmeißen, sich eine kleine Insel bei den Bahamas oder sonstwo suchen und herausfinden wollen, ob er außer schablonenhaften Hauruck-Filmen auch noch etwas anderes schreiben konnte. Er stellte sich vor, wie er Barent und Kepler
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