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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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landete mit gespreizten Beinen auf dem Rücken, das Gewehr lag zwei Meter hinter seinem Kopf.
    Die plötzliche Stille war ohrenbetäubend.
    Natalie hatte sich auf die Knie aufgerichtet, spähte um die Kante des Felsbrockens und atmete schwer durch den Mund. »O Gott«, flüsterte sie.
    »Alles in Ordnung?« fragte Saul.
    »Ja.«
    »Bleiben Sie hier.«
    »Von wegen«, sagte sie und stand mit ihm auf, als er den Hügel hinabgehen wollte.
    Sie waren vierzig Schritt weit gekommen, als Haines sich herumdrehte, das Gewehr aufhob und zur Baumgrenze gegenüber lief. Saul ließ sich auf ein Knie fallen, schoß und verfehlte. »Verdammt. Hier entlang.« Er zog Natalie nach links, hinter ein dichtes Gebüsch.
    »Die anderen kommen«, keuchte Natalie.
    »Ja«, sagte Saul. »Keinen Laut.« Sie gingen weiter nach links, von Baum zu Baum. Die Hügelseite gegenüber war so kahl, daß Haines sich nicht im Uhrzeigersinn mit ihnen bewegen konnte. Er mußte bleiben, wo er war, oder ihnen entgegengehen. Saul fragte sich, ob der Pilot bewaffnet war.
    Saul und Natalie bewegten sich, so schnell sie konnten, hielten sich aber unter den Bäumen und vom Rand der Lichtung fern. Als sie sich dem Punkt näherten, wo Haines unter den Bäumen verschwunden war, gab Saul Natalie ein Zeichen, in einem dichten Hain junger Bäume zu warten, während er geduckt vorwärts ging und nach jedem Schritt von rechts nach links sah. Ersatzpatronen klirrten in den Taschen seines Mantels. Es wurde dunkel unter den Bäumen. Moskitos kamen heraus und summten um Sauls verschwitztes Gesicht. Ihm war, als wären Stunden vergangen, seit der Helikopter gelandet war. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, daß es in Wirklichkeit nur sechs Minuten gewesen waren.
    In einem horizontalen Lichtstreifen auf dem Waldboden spiegelte sich etwas Helles auf den dunklen Nadeln. Saul ließ sich auf den Bauch sinken und kroch auf den Ellbogen vorwärts. Er hielt inne, umklammerte das Gewehr mit der linken Hand, streckte die rechte Hand aus und berührte das Blut, das auf Nadeln und Boden getropft war. Weitere Spritzer waren links zu sehen, sie verschwanden, wo das Dickicht dichter wurde.

Saul tastete sich rückwärts, als das Rattern des automatischen Gewehrs links hinter ihm begann, jetzt alles andere als spielzeughaft, sondern laut und hektisch. Er drückte die Wange auf den Boden und wollte mit dem ganzen Körper im Erdreich verschwinden, als die Kugeln Zweige zerfetzten, Baumstämme durchbohrten und über die Lichtung pfiffen. Er hörte mindestens zwei, die dort auf Metall trafen, drehte sich aber nicht um, um festzustellen, welches Fahrzeug getroffen worden war.
    Keine vierzig Schritte von Saul entfernt ertönte ein gräßlicher Schrei, dann begann ein tiefes Stöhnen, das langsam in den Ultraschallbereich überzugehen schien. Er sprang auf, lief davon, fing seine Brille auf, die ihm ein Zweig herunterschlug, und stolperte fast über Natalie, die hinter einem verfaulten Baumstumpf kauerte. Er warf sich neben ihr auf den Boden und flüsterte: »Alles in Ordnung?«
    »Ja.« Sie deutete mit der Pistole auf einen dichten Hain junger Pinien und Fichten, wo der Hügel links von ihnen zu einer Kluft abfiel. »Der Lärm kam von dort. Er hat nicht auf uns geschossen.«
    »Nein.« Saul betrachtete seine Brille. Das Gestell war verbogen. Er klopfte auf seine Manteltaschen. Patronen klirrten. Die Pistole hatte er noch in der linken Tasche. Seine Ellbogen waren lehmverschmiert. »Gehen wir.«
    Sie krochen vorwärts, Natalie drei Meter rechts von Saul. Als sie sich einem kleinen Bach näherten, der aus der Kluft floß, wurde das Unterholz dichter, zarte junge Fichten und Kiefernschößlinge wuchsen daraus hervor, Gruppen kleiner Birken und Farnwedel. Natalie fand den Piloten. Sie stützte um ein Haar den Unterarm auf seine Brust, als sie um einen dichten Wacholderstrauch herumkroch. Er war vom Schnellfeuer der M-16 fast in zwei Teile zerfetzt worden. Die Bauchdecke hing als lose Fetzen roter, striemiger Muskeln herunter, die Finger hatte er um die weißen und grauen Stränge der Eingeweide gekrallt, als hätte er versucht, sie wieder in sich hineinzustopfen. Der Kopf des kleinen Mannes war weit zurückgeworfen, der Mund zu einem unvollendeten Schrei aufgerissen, die umwölkten Augen auf ein kleines Stück blauen Himmel zwischen den Zweigen hoch droben gerichtet.
    Natalie drehte sich um und übergab sich stumm in die Farne.
    »Kommen Sie«, flüsterte Saul. Das Plätschern des Bachs war laut genug,

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