Kraft des Bösen
dem Morgengrauen Helikopter und Geländewagen in den Wald schicken.«
Sie schossen über einen Bach und rasten in einem Kiesregen mit siebzig Stundenmeilen über die Kuppe. Natalie schlitterte mit dem Lieferwagen um eine Kurve, lenkte perfekt gegen und sagte: »Hat es sich gelohnt, Saul?«
Er versuchte gerade, seine verbogene Brille zurechtzubiegen, und sah auf. »Ja«, sagte er, »das hat es.«
Natalie nickte und fuhr einen langen Hang hinab auf einen noch dunkleren Waldstreifen zu.
51. Kapitel
Dothan, Alabama: Sonntag, 26. April 1981
Am Sonntagvormittag predigte der Reverend Jimmy Wayne Sutter vor einem Studiopublikum von etwa achttausend und einem Fernsehpublikum von etwa zweieinhalb Millionen von Feuer und Schwefel, eine derart aufwühlende Predigt, daß Leute aus dem Publikum im Palast des Gebets auf die Füße sprangen und in Zungen sprachen, während die zu Hause vor den Fernsehern zu den Telefonen liefen und wartenden Telefonistinnen ihre VISA- und MASTERCARD-Nummern durchsagten. Der live übertragene Fernsehgottesdienst dauerte neunzig Minuten, zweiundsiebzig davon beanspruchte die Predigt von Reverend Sutter. Jimmy Wayne las Auszüge des Korintherbriefs für die Gläubigen, dem ließ er eine längere Abschweifung folgen, in der er sich vorstellte, wie Paulus zeitgemäße Briefe an die Korinther schrieb, in denen er sich über die moralische Lage und die Aussichten in den Vereinigten Staaten ausließ. Wollte man den Worten Glauben schenken, die der Reverend Jimmy Wayne Paulus in den Mund legte, dann bestand das Klima in den Vereinigten Staaten derzeit aus Gottlosigkeit, Pornografie, schleichendem weltlichen Humanismus, der die schutzlose Jugend in die geheimen Riten des sündigen Sozialismus einführte, sexueller Freizügigkeit, Promiskuität, dämonischer Besessenheit im Kielwasser von Rock-Videos und Spielen wie Dungeons and Dragons und einem allgemeinen moralischen Verfall, der sich am deutlichsten darin zeigte, daß die Sünder sich weigerten, Christus als ihren Erlöser zu akzeptieren, wohingegen die wahren Gläubigen großzügig unter der Nummer Bible Outreach 1-800-555-6444 für die gute Sache spendeten.
Als der Outreach Gospel Choir den letzten schmetternden Akkord gesungen hatte und die roten Lichter der neun gewaltigen Kameras erloschen waren, rauschte Reverend Jimmy Wayne durch die Flure seines privaten Büros, wobei er lediglich von seinen drei Leibwächtern, seinem Buchhalter und seinem Medienberater begleitet wurde. Sutter ließ alle fünf in seinem Vorzimmer warten und legte die Kleidung ab, während er durch die teppichbodengepolsterte Weite seines Sanctum sanctorum ging und dabei eine Spur verschwitzter Kleidungsstücke hinter sich auf dem Boden zurückließ, bis er nackt vor der Bar stand. Als er sich einen großen Bourbon einschenkte, drehte sich der Ledersessel mit der hohen Lehne hinter seinem Schreibtisch, und ein alter Mann mit gerötetem Gesicht und blassen Augen sagte: »Eine ausgesprochen stimulierende Predigt.«
Sutter zuckte zusammen und schüttete sich Bourbon über Handgelenk und Arm.
»Himmel noch mal, Willi, ich habe gedacht daß Sie heute nachmittag kommen.«
»Ja, aber ich habe beschlossen, ein bißchen früher hier zu sein«, sagte Willi. Er bildete einen Giebel mit den Fingern und lächelte über Sutters Nacktheit.
»Sind Sie über den geheimen Weg reingekommen?«
»Selbstverständlich«, sagte Willi. »Wäre es Ihnen lieber gewesen, ich wäre mit den Touristen hereingekommen und hätte Barents und Keplers Leuten guten Tag gesagt?«
Jimmy Wayne Sutter grinste, trank sein Glas leer und ging in sein privates Badezimmer, wo er die Dusche aufdrehte. Er rief über das fließende Wasser hinweg: »Ich habe Ihretwegen heute morgen einen Anruf von Bruder Christian bekommen.«
»Ach, wirklich?« sagte Willi, der immer noch verhalten lächelte. »Was hat denn unser alter Freund gewollt?«
»Mich nur wissen lassen, daß Sie fleißig gewesen sind.«
»Ja? Inwiefern?«
»Haines«, sagte Sutter. Seine Stimme hallte von den Kacheln wider, als er unter die Dusche trat.
Willi ging zur Badezimmertür. Er trug einen weißen Leinenanzug mit einem am Hals offenen lavendelfarbenen Hemd. »Haines, dieser FBI-Mann?« sagte er. »Was ist mit dem?«
»Also ob Sie das nicht wüßten«, sagte Sutter, der sich den feisten Bauch schrubbte und die Genitalien einseifte. Sein Körper war ausgesprochen rosa und haarlos, irgendwie wie eine große, neugeborene Ratte.
»Tun Sie
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