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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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leise Geräusche zu übertönen.
    Winzige Blutspritzer befanden sich auf einem umgestürzten Baumstamm hinter einer Wand aus Fichtenschößlingen. Haines mußte sich vor wenigen Minuten noch dort versteckt haben, bis er den Piloten hörte, der auf der Suche nach Deckung durch das Unterholz lief.
    Saul spähte zwischen den Fichten hindurch. In welche Richtung war Haines gegangen? Links begann nach einem freien Gelände von fünfundzwanzig Schritten Länge wieder der dichte Wald, füllte das Tal aus und stieg im Südosten über die flache Kuppe hinweg an. Rechts war die Kluft mit jungen Bäumen bewachsen und verjüngte sich in einer Höhe von vierzig Metern zu einem schmalen Spalt mit drei Meter hohen Wacholderbüschen.
    Saul mußte sich entscheiden. In welche Richtung er auch ging, er würde sich jedem zeigen, der den anderen Weg eingeschlagen hatte. Die psychologische Barriere der Lichtung linker Hand brachte ihn zur Überzeugung, daß Haines sich nach rechts gewandt hatte. Saul rutschte zurück, gab Natalie das Gewehr und preßte ihr den Mund fast aufs Ohr, als er ihr zuflüsterte: »Ich geh’ da rauf. Verstecken Sie sich direkt unter dem Baumstamm. Lassen Sie mir genau vier Minuten Zeit, dann geben Sie einen Schuß in die Luft ab. Bleiben Sie unten.
    Wenn Sie nichts hören, warten Sie eine Minute und geben noch einen Schuß ab. Wenn ich in zehn Minuten nicht wieder da bin, gehen Sie zum Lieferwagen und verschwinden Sie von hier. Er kann die Straße von hier oben nicht sehen. Haben Sie verstanden?«
    »Ja.«
    »Sie haben den Paß noch«, flüsterte Saul. »Wenn alle Stricke reißen, kehren Sie nach Israel zurück.«
    Natalie sagte nichts. Sie war sehr nervös, aber ihre Lippen dünn und entschlossen.
    Saul nickte ihr zu und kroch durch die Barriere der jungen Fichten, wobei er sich dicht am Bach hielt, während er bergauf kroch.
    Er konnte das Blut riechen. Hier, wo er durch Tunnel in den dichten Wacholderbüschen kriechen mußte, fand er noch mehr. Er kam zu langsam voran: drei Minuten waren verstrichen, und er war die Kluft nicht weit genug hinaufgekommen. Seine rechte Hand umklammerte verschwitzt den Griff des Colts, die Brille rutschte ihm ständig die Nase hinunter. Seine Ellbogen und Knie waren aufgeschürft, der Atem rasselte ihm in der Lunge. Fliegen stoben von einer weiteren hellen Blutlache empor, ihm ins Gesicht.
    Noch eine halbe Minute. Haines konnte nicht viel weiter gekommen sein, es sei denn, er wäre gerannt. Er hätte laufen können. Zehn Meter konnten den Unterschied ausmachen. Die Reichweite der M-16 war zwanzigmal so groß wie die von Sauls Pistole. Saul hatte acht Schuß. In den Taschen trug er die schweren Patronen für das Gewehr des Deputy bei sich, aber die drei Ersatzmagazine für die Pistole hatte er dort liegen lassen, wo er sie fein säuberlich neben dem gefesselten Deputy aufgereiht hatte.
    Spielte keine Rolle. Noch zwanzig Sekunden, dann würde Natalie feuern. Alles war verloren, wenn er nicht nahe genug herankam. Saul kroch auf Ellbogen und Knien weiter, keuchte inzwischen vernehmlich und wußte, er machte zuviel Lärm. Er fiel vornüber unter einen überhängenden Wacholderzweig, atmete keuchend durch den offenen Mund und versuchte, seinen Atem zu regulieren.
    Natalies Schuß hallte durch die Kluft.
    Saul rollte sich auf den Rücken und zog den Mechanismus der Pistole zu sich, damit das Geräusch übertönt wurde. Nichts. Kein Schuß als Antwort, keine Bewegung von oben.
    Saul lag auf dem Rücken, hielt die Pistole neben dem Gesicht und wußte, er sollte sich in Bewegung setzen und weiter bergauf vorarbeiten. Er bewegte sich nicht. Der Himmel wurde dunkler. Zirruswölkchen reflektierten das letzte rosa Abendlicht, ein einzelner Stern funkelte dicht über dem Rand der Kluft. Saul hob den linken Arm und sah auf die Uhr. Zwölf Minuten waren verstrichen, seit der Helikopter gelandet war.
    Saul atmete die kühle Luft ein. Er roch Blut.
    Zuviel Zeit war seit Natalies erstem Schuß vergangen. Saul hatte den Arm zum zweitenmal erhoben, um auf die Uhr zu sehen, als Natalies zweiter Schuß ertönte, dieses Mal näher, und das Echo zehn Meter über ihm von den Wänden der Schlucht widerhallte.
    Richard Haines schnellte keine acht Schritte von Saul entfernt aus dem Unterholz und überzog die Kluft mit automatischem Feuer. Saul konnte das Mündungsfeuer über sich erkennen und das Schießpulver riechen. Kugeln zerfetzten das Dickicht, durch das er gerade gekommen war. Junge Bäume, fünf

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