Kraft des Bösen
den Weg wies, dann über eine weitere flache Kuppe und über eine Wiese mit im hohen Gras verborgenen Holzstämmen und Felsbrocken. Stunden vergingen. Dann geschah das Unvermeidliche. Saul fuhr gerade, und Natalie war trotz der holperigen, rüttelnden Fahrt halb eingeschlafen. Der letzte unsichtbare Felsblock befand sich auf halbem Wege an einem steilen Hang, den der Lieferwagen im zweiten Gang hinaufkroch. Irgendwie hatte die Vorderachse das Hindernis überwunden, aber der zerklüftete Felsbrocken riß die Ölwanne ab, einen Teil des Lenkgestänges, und sie standen schief auf den Überresten der Hinterachse.
Saul kroch mit einer Taschenlampe unter das Fahrzeug und wand sich nach dreißig Sekunden wieder hervor. »Das war’s«, sagte er. »Wir gehen zu Fuß.«
Natalie war zu müde zum Weinen, sogar zu müde, daß ihr danach zumute gewesen wäre. »Was nehmen wir mit?« fragte sie.
Saul leuchtete mit der Taschenlampe ins Innere. »Das Geld«, sagte er. »Den Rucksack. Die Karte. Etwas zu essen. Die Pistolen, denke ich.« Er betrachtete die beiden Gewehre. »Besteht eine Veranlassung, die mitzunehmen?«
»Werden wir auf unschuldige Polizisten schießen?« fragte Natalie.
»Nein.«
»Dann lassen wir die Pistolen auch zurück.« Sie betrachtete die sternenklare Nacht und die dunklen Wände der Hügel und Wälder um sie herum, »Wissen Sie, wo wir sind, Saul?«
»Wir waren Richtung Murietta unterwegs«, sagte er, »aber wir haben so viele Umwege gemacht, daß ich nicht mehr die geringste Ahnung habe.«
»Werden sie uns folgen können?«
»Im Dunkeln nicht«, sagte Saul. Er sah auf die Uhr. Es war vier Uhr morgens. »Wenn es hell wird, finden sie die Spur, die wir hinterlassen haben. Auf den Waldwegen werden sie zuerst suchen. Früher oder später wird ein Flugzeug den Lieferwagen sehen.«
»Hätte es einen Sinn, ihn zu tarnen?«
Saul sah bergauf. Bis zu den nächsten Bäumen waren es noch hundert Meter. Sie würden den Rest der Nacht brauchen, um ausreichend Pinienzweige abzubrechen und diese heranzuschleppen, damit sie den Lieferwagen abdecken konnten. »Nein«, sagte er, »packen wir nur die Sachen ein und gehen wir.«
Zwanzig Minuten später gingen sie keuchend und schnaufend einen Hügel hinauf, Natalie mit dem Rucksack, Saul mit dem schweren Koffer voll Geld und den Dossiers, die er nicht zurücklassen wollte. Als sie unter den Bäumen angekommen waren, sagte Natalie: »Einen Augenblick, bitte.«
»Warum?«
»Weil ich aufs Klo muß, darum.« Sie kramte im Rucksack nach Kleenex, nahm die Taschenlampe und verschwand zwischen den Bäumen.
Saul seufzte und setzte sich auf den Koffer. Er stellte fest, wenn er die Augen auch nur Sekunden zumachte, fing er an zu dösen, und jedesmal, wenn er döste, stieg dasselbe Bild in ihm auf - Richard Haines, mit blassem Gesicht und überraschten Augen, der den Mund bewegte, obwohl die Worte erst später zu hören waren, wie bei einem schlecht synchronisierten Film. »Helfen Sie mir. Bitte.«
»Saul.«
Er schreckte hoch, zog die Colt Automatik heraus, die er mitgenommen hatte, und lief unter das Dach der Bäume. Natalie war zehn Meter weiter drinnen und ließ den Strahl der Taschenlampe über einen glänzenden roten Toyota mit Allradantrieb gleiten, dessen Karosserie einem britischen Landrover nachempfunden war.
»Träume ich?« fragte sie.
»Wenn ja, habe ich denselben Traum«, sagte er. Das Auto war so neu, daß es in einen Ausstellungsraum zu gehören schien. Saul leuchtete auf den Boden; es war keine Straße da, aber man konnte sehen, wo das Auto unter die Bäume gefahren worden war. Er zog an den Türen und der Heckklappe: alle abgeschlossen.
»Sehen Sie«, sagte Natalie, »da steckt etwas unter dem Wischerblatt.« Sie zog den Zettel hervor und hielt ihn unter die Taschenlampe. »Eine Nachricht«, sagte sie. »>Lieber Alan, liebe Suzanne: Sind problemlos hierher gekommen. Campen zweieinhalb Meilen entfernt die Little Margarita runter. Bringt das Bier mit. Liebe Grüße, Heather und Carl.<« Sie leuchtete mit der Taschenlampe durch die Heckscheibe. Ein Kasten Coors stand auf der Ladefläche. »Super!« sagte Natalie. »Sollen wir ihn kurzschließen und wegfahren?«
»Wissen Sie, wie man ein Auto kurzschließt?« fragte Saul, der wieder auf seinem Koffer saß.
»Nein, aber im Fernsehen sieht es immer ganz einfach aus.«
»Im Fernsehen ist alles einfach«, sagte Saul. »Bevor wir anfangen, mit der Zündung herumzuspielen - die wahrscheinlich elektronisch ist
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