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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Feilschen vergeudet hatten. Als sie in die Seitenstraße einbogen, wo sie den Toyota geparkt hatten, waren eine Gruppe brauner Schulkinder gerade dabei, das Seitenfenster mit einem Stein einzuschlagen. Sie liefen lachend davon und zeigten Saul und Natalie den Mittelfinger.
    »Das wäre ein Spaß gewesen«, sagte Saul. »Ich frage mich, was sie mit dem Plastiksprengstoff und der M-16 angestellt hätten.«
    Natalie sah ihn an. »Sie haben mir nicht gesagt, daß Sie die M-16 auch mitgenommen haben.«
    Saul rückte die Brille zurecht und sah sich um. »Wir brauchen etwas mehr Zeit zum Umladen, als wir in dieser Gegend haben werden. Folgen Sie mir.«
    Sie fuhren zum nächstgelegenen Einkaufszentrum, wo Saul die gesamte Ausrüstung umlud und die Schlüssel bei heruntergekurbelten Fenstern stecken ließ. »Ich möchte nicht, daß er beschädigt wird«, erklärte er, »nur gestohlen.«
    Nach dem ersten Tag fuhren sie nachts, und Natalie, die schon immer durch den Südwesten der Vereinigten Staaten reisen wollte, sah lediglich das Bild eines klaren Sternenhimmels über der Einförmigkeit von Interstate Highways, unglaubliche Sonnenaufgänge in der Wüste, die rosa und orange und indigo in die graue Welt bluteten, und sie hörte das Poltern und Schnurren von Klimaanlagen in kleinen Motelzimmern, die nach altem Zigarrenrauch und Desinfektionsmittel rochen.
    Saul zog sich noch mehr von der Welt zurück und ließ Natalie weitgehend fahren und jeden Morgen früher anhalten, damit er sich mit seinen Dossiers und Maschinen beschäftigen konnte. Als sie das östliche Texas erreicht hatten, verbrachte Saul die ganze Nacht hinten im Kombi, wo er mit überkreuzten Beinen vor dem Computermonitor und der EEG-Maschine saß, die wiederum an die Batterie angeschlossen waren, die er in Fort Worth im Radio Shack gekauft hatte. Natalie konnte nicht einmal das Autoradio einschalten, weil sie Angst hatte, sie könnte ihn stören.
    »Sehen Sie, der Theta-Rhythmus ist der Schlüssel«, sagte er die wenigen Male zu ihr, als er sich mit ihr darüber unterhielt. »Das perfekte Signal, ein unfehlbarer Indikator. Ich kann ihn nicht selbst erzeugen, aber ich kann ihn durch die BiofeedbackSchleife abspielen, daher kenne ich die Anzeichen. Wenn ich mich trainiere, daß ich auf diesen ersten Peak der AlphaWellen reagiere, kann ich meinen eigenen Auslösermechanismus für die posthypnotischen Suggestionen konditionieren.«
    »Ist das eine Möglichkeit, ihrer ... Kraft entgegenzuwirken?« fragte Natalie.
    Saul rückte stirnrunzelnd die Brille zurecht. »Nein, eigentlich nicht«, sagte er. »Ich bezweifle, daß es wirklich eine Möglichkeit gibt, dieser Kraft entgegenzuwirken, wenn man sie nicht selbst besitzt. Es wäre interessant, eine Anzahl Individuen in einer kontrollierten .«
    »Was nützt es dann?« rief Natalie verzweifelt.
    »Es bietet eine Chance ... eine Chance«, sagte Saul, »eine Art Frühwarnsystem im Hirnstamm zu erschaffen. Mit der entsprechenden Konditionierung und Biofeedback-Arbeit kann ich, glaube ich, das Phänomen des Theta-Rhythmus dazu nutzen, die posthypnotischen Suggestionen auszulösen, damit ich mich an die Daten erinnern kann, die ich mir eingeprägt habe.«
    »Daten?« sagte Natalie. »Sie meinen in den vielen Stunden in Yad Vashem und dem Haus der Gettokämpfer .«
    »Lahame HaGeta’ot«, sagte Saul. »Ja. Ich habe die Dossiers gelesen, die Wiesenthal Ihnen geschickt hat, mir die Fotografien und Biographien und Bänder eingeprägt, während ich Autoerinnerung in einer leichten, selbstinduzierten Trance praktiziert habe ...«
    »Aber was kann es nützen, die Schmerzen all dieser Menschen in sich aufzunehmen, wenn es kein Schutz gegen diese Gedankenvampire ist?« fragte Natalie.
    »Stellen Sie sich einen Diaprojektor mit Drehscheibe vor«, sagte Saul. »Der Standartenführer und die anderen besitzen die Gabe, diese neurologische Drehscheibe per Willenskraft schneller zu drehen und eigene Dias einzuschieben, ihren eigenen Willen und ihr Über-Ich diesem Bündel von Erinnerungen, Ängsten und Vorlieben aufzuzwingen, das wir Persönlichkeit nennen. Ich versuche lediglich, mehr Dias in die Drehscheibe einzufügen.«
    »Aber Sie wissen nicht, ob es funktionieren wird?«
    »Nein.«
    »Und Sie glauben nicht, daß es bei mir funktionieren würde?«
    Saul nahm die Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. »Etwas Vergleichbares könnte mit Ihnen möglich sein, Natalie, aber es müßte auf jeden Fall auf Ihren eigenen Hintergrund, Ihre

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