Kraft des Bösen
Flucht aus Amerika sich so schwierig gestaltete.
Am Samstag abend war Howard wieder da. Alles war vorbereitet worden, damit Howard, Nancy, Justin und Nancys bettlägerige Mutter das Land innerhalb einer Stunde verlassen konnten. Culley und die anderen würden später nachkommen, falls keine Rückendeckung erforderlich war. Ich hatte nicht die Absicht, meinen persönlichen medizinischen Stab zu verlieren, aber sollte es dazu kommen, gab es auch in Frankreich ausgezeichnete Ärzte und Krankenschwestern.
Nachdem ich die Rückzugswege vorbereitet hatte, war ich nicht mehr sicher, ob ich überhaupt den Rückzug antreten wollte. Der Gedanke an ein letztes >Zusammentreffen< mit Nina und Willi war nicht unerfreulich. Diese Monate des Umherziehens, der Schmerzen und Einsamkeit waren besonders unbefriedigend, weil über allem noch die Aura unerledigter Angelegenheiten schwebte. Nach Ninas Anruf auf dem Flughafen von Atlanta vor sechs Monaten war ich in kopfloser Panik geflohen, aber die tatsächliche Ankunft von Ninas Botin - wenn sie es denn sein sollte - war längst nicht so beunruhigend.
Ich werde so oder so herausfinden, was die Wahrheit ist.
Am Donnerstag ging Schwester Oldsmith in die Bibliothek und suchte sämtliche Namen heraus, die die Negerin genannt hatte. Sie fand mehrere Zeitschriftenartikel und ein neu erschienenes Buch über den geheimnisumwitterten Milliardär C. Arnold Barent, Charles Colben wurden in mehreren Büchern über die Washingtoner Politik erwähnt, und über einen Astronomen namens Kepler gab es eine Vielzahl von Büchern - was mir indessen als unwahrscheinliche Möglichkeit erschien, da er seit Jahrhunderten tot war -, aber die anderen Namen, die die Negerin genannt hatte, wurden nirgendwo erwähnt.
Die Bücher und Artikel überzeugten mich nicht. Wenn das Mädchen nicht von Nina geschickt worden war, log sie mit ziemlicher Sicherheit. Wenn sie aber von Nina geschickt worden war, schien die Möglichkeit genau so groß zu sein, daß sie log. Die Provokation einer Gruppe anderer mit der >Gabe< wäre kaum erforderlich gewesen, Nina gegen mich aufzubringen.
War es möglich, fragte ich mich, daß der Tod Nina wahnsinnig gemacht hatte?
Am Samstag kümmerte ich mich um eine letzte Einzelheit. Dr. Hartman hatte den Verkauf des Hauses gegenüber mit Mrs. Hodges und deren Schwiegersohn geregelt.
Ich wußte, wo sie wohnte. Ich wußte auch, daß sie jeden Samstagvormittag allein zur städtischen Markthalle fuhr, um das frische Gemüse einzukaufen, um das sie so einen Kult betrieb.
Culley parkte neben dem Auto von Mrs. Hodges’ Tochter und wartete, bis die alte Dame aus der städtischen Markthalle herauskam. Als sie mit beiden Armen voller Lebensmittel herauskam, ging er auf sie zu und sagte: »Darf ich Ihnen helfen?«
»Oh«, sagte Mrs. Hodges, »nein, ich kann ...« Culley nahm ihr eine Tüte Lebensmittel ab, packte sie fest am linken Arm und führte sie zu Dr. Hartmans Cadillac, wo er sie auf den Beifahrersitz schubste wie ein entnervter Erwachsener ein plärrendes zweijähriges Kind. Sie machte sich an der verschlossenen Tür zu schaffen und versuchte, hinauszukommen, als Culley hinter das Lenkrad glitt, eine Hand ausstreckte, die so groß war wie der Kopf der dummen alten Frau, und einmal drückte. Sie sackte gegen die Tür. Culley vergewisserte sich, daß sie noch atmete, dann fuhr er nach Hause, spielte Mozart im Cassettenrecorder des Autos und versuchte albernerweise, die Melodie mitzusummen.
Am Sonntag, den 10. Mai, klopfte Ninas Negerbotin kurz nach Mittag an das Tor.
Ich schickte Howard und Culley hinaus, um sie hereinzulassen. Dieses Mal war ich auf sie vorbereitet.
57. Kapitel
Dolmann Island: Samstag, 9. Mai 1981
Natalie und Saul verließen Charleston kurz nach 7 Uhr 30 mit dem Flugzeug. Es war das erste Mal seit vier Tagen, daß Natalie das Telemetriepack nicht trug, und sie kam sich seltsam nackt vor - und frei, als wäre sie wahrhaftig aus einer Quarantäne entlassen worden.
Die kleine Cessna 180 startete vom Flugplatz auf der gegenüberliegenden Seite des Hafens von Charleston, schwenkte der Morgensonne entgegen und neigte sich wieder nach rechts, als sie über das grüne und blaue Wasser flogen, wo die Bucht in den Ozean überging. Folly Island tauchte unter der rechten Tragfläche auf. Natalie konnte den Intracoastal Waterway erkennen, der sich durch ein irres Netz von Mündungen, Buchten, Gezeitenbecken und Küstenmarschen nach Süden erstreckte.
»Was meinen Sie,
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