Kraft des Bösen
sicher. Derselbe Akzent.«
»Glaubst du immer noch, daß Willi dahintersteckt?«
Harod fuhr eine Zeitlang schweigend weiter. »Ja«, sagte er schließlich, »das wäre die einzig logische Erklärung. Barent und die anderen hätten bereits die Mittel, vorkonditionierte Leute in das Surrogatreservoir einzuschleusen, wenn sie das wollten. Willi braucht einen Vorteil.«
»Und du bist bereit, dabei mitzumachen? Empfindest du Willi Borden gegenüber immer noch Loyalität?«
»Scheiß auf die Loyalität«, sagte Harod. »Barent hat Haines in mein Haus geschickt - damit er dich zusammenschlägt -, nur um mich noch fester an die Kette zu legen. Niemand kann mich so behandeln. Wenn das Willis großer Staatsstreich ist, meinetwegen. Soll er es doch versuchen.«
»Könnte es nicht gefährlich werden?«
»Du meinst die Surrogate?« sagte Harod. »Kann ich mir nicht vorstellen. Wir vergewissern uns, daß sie nicht bewaffnet sind, und sobald sie auf der Insel eintreffen, besteht nicht die geringste Möglichkeit mehr, daß sie Probleme bereiten. Selbst der Sieger dieser fünftägigen Schlächterolympiade endet irgendwo auf einem alten Sklavenfriedhof auf der Insel, einen Meter achtzig unter Mangrovenwurzeln.«
»Was könnte Willi also vorhaben?« fragte sie.
»Da bin ich vollkommen überfragt«, sagte Harod und fuhr an der Kreuzung der I-16 hinaus. »Wir müssen nur beobachten und am Leben bleiben. Dabei fällt mir ein - hast du die Browning mitgebracht?«
Maria Chen holte die Automatik aus der Handtasche und gab sie ihm. Harod fuhr mit einer Hand, holte das Magazin aus dem Griff heraus, überprüfte es und drückte es auf dem Schenkel wieder hinein. Er steckte sie in den Hosenbund und zog das weite Hawaiihemd darüber.
»Ich hasse Schußwaffen«, sagte Maria Chen.
»Ich auch«, sagte Harod. »Aber es gibt Menschen, die hasse ich noch mehr, und einer ist dieser Dreckskerl mit der Skimaske und dem Polackenakzent. Wenn er das Surrogat ist, mit dem Willi mich zu der Insel schicken will, wird es alles brauchen, daß ich ihm nicht schon, bevor wir anfangen, das Gehirn rauspuste.«:
»Das würde Willi gar nicht gefallen«, sagte Maria Chen.
Harod nickte und bog von der Nebenstraße ab, die vom Highway zu einem aufgegebenen Bootssteg an einer zugewucherten Stelle des Savannah & Ogeechee-Kanals führte. Ein Auto wartete, ein Kombi. Harod parkte zwanzig Meter entfernt, wie vorher vereinbart, und betätigte die Lichthupe. Ein Mann und eine Frau stiegen aus dem Auto aus und kamen langsam auf sie zu.
»Ich habe es satt, mir ständig Gedanken zu machen, was Willi gefallen wird oder was Barent gefallen wird oder was irgendeinem Dummkopf gefallen wird«, sagte Harod zähneknirschend. Er stieg aus dem Auto aus und lockerte die Automatik. Maria Chen machte den kleinen Koffer auf und holte Ketten und Vorhängeschlösser heraus. Als der Mann und die Frau, immer noch mit leeren Händen, noch zwanzig Schritte entfernt waren, beugte sich Harod zu Maria Chen und grinste. »Wird höchste Zeit, daß sie sich alle einmal Gedanken darüber machen, was Tony Harod gefallen wird«, sagte er, hob die Pistole und richtete sie schnurgerade auf den Kopf des Mannes mit dem kurzen Bart und dem langen, grauen Haar, das über die Ohren fiel. Der Mann blieb stehen, sah in die Mündung von Harods Pistole und rückte mit dem Zeigefinger die Brille zurecht.
61. Kapitel
Dolmann Island: Sonntag, 14. Juni 1981
Saul Laski war zumute, als hätte er das alles schon einmal durchgemacht.
Es war nach Mitternacht, als das Boot an das Betondock stieß und Tony Saul und Miß Sewell gleichermaßen hinausscheuchte. Sie standen auf dem Dock, wobei Harod die Waffe nicht mehr sehen ließ, da es sich ja angeblich um zwei Handlanger handelte, die er kontrollierte. Zwei elektrische Golfcarts kamen herbeigerollt, und Harod sagte zu einem Mann in Blazer und Stoffhosen: »Bringen Sie die beiden zu den Surrogatpferchen.«
Saul und Miß Sewell saßen beide gleichgültig auf dem mittleren Sitz des Wagens, während ein Mann mit einem automatischen Gewehr hinter ihnen stand. Saul betrachtete die Frau neben sich. Deren Gesicht drückte weder Emotionen noch Interesse aus. Sie trug kein Make-up, das Haar hatte sie zurückgesteckt, das billige bedruckte Kleid hing weit an ihr. Als sie an einem Kontrollpunkt am südlichen Ende der Sicherheitszone anhielten und dann weiter in das mit zerstoßenen Muscheln gepflasterte Niemandsland vorstießen, fragte sich Saul, was, wenn
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