Kraft des Bösen
finden.
»Ja«, sagte Saul, der immer noch nicht glauben konnte, daß er sich mit jemand anderem als Natalie darüber unterhielt. »Aber es besteht eine Möglichkeit, daß wir ihn zurückbringen ... ihn retten können.«
»Klar, Mann, das machen wir«, sagte Catfish. »Ein Wort an unsere Anführer, und >Soul Brickyard< wird über diese Stadt von Verrückten kommen wie ein Gummi über den Pimmel von ’nem Typen, klar?«
»Nein«, sagte Saul. »Das wird nicht gehen. Natalie muß euch erklärt haben, warum nicht.«
»Sie hat es uns gesagt«, sagte Jackson. »Aber was sagen Sie, Laski? Wie lange warten wir?«
»Zwei Wochen«, sagte Saul. »In zwei Wochen wird so oder so alles vorbei sein.«
»Zwei Wochen, abgemacht«, sagte Jackson. »Dann tun wir, was wir tun müssen, um Marvin zurückzubekommen, ob Ihre Sache erledigt ist oder nicht.«
»Sie wird erledigt sein«, sagte Saul. Er betrachtete den großen Mann, der auf dem Rücksitz saß. »Jackson, ich weiß nicht, ob das Ihr Vor- oder Nachname ist.«
»Nachname«, sagte Jackson. »Als ich aus Vietnam zurückgekommen bin, habe ich meinen Vornamen aufgegeben. Hatte keine Verwendung mehr dafür.«
»Mein Name ist eigentlich auch nicht Catfish, Laski«, sagte Catfish, »Er lautet Clarence Arthur Theodore Varsh.« Er schüttelte Sauls ausgestreckte Hand. »Aber, he, Mann«, sagte er mit einem Grinsen, »da Sie ein Freund von Natalie sind und so weiter, können Sie Mr. Varsh zu mir sagen.«
Der letzte Tag vor der Abreise war der schlimmste gewesen. Saul war überzeugt, daß nichts funktionieren würde - die alte Dame würde ihren Teil der Abmachung nicht erfüllen oder war nicht imstande gewesen, die Konditionierung durchzuführen, die sie angeblich im Mai drei Wochen lang vorgenommen hatte, während Justin und Natalie mit Ferngläsern über den Fluß gesehen hatten. Oder Cohens Informationen waren falsch gewesen - oder sie waren richtig, aber die Pläne waren in den vergangenen Monaten geändert worden. Oder Tony Harod würde nicht auf den Telefonanruf Anfang Juni reagieren - oder würde es den anderen sagen, wenn sie sich auf der Insel befanden - oder würde es ihnen nicht sagen, aber Saul und Melanie Fullers Sendbotin töten, sobald sie das Ufer hinter sich gelassen hatten. Oder er würde Saul auf der Insel absetzen, und dann würde Melanie Fuller die Gunst der Stunde nutzen, sich gegen Natalie wenden und sie niedermetzeln, während Saul eingesperrt war und auf seinen eigenen Tod wartete.
Dann kam der Samstagnachmittag, und sie fuhren weiter nach Süden, Richtung Savannah, wo sie sich auf dem Parkplatz beim Kanal einfanden, noch bevor die Dämmerung zu Ende war. Natalie und Jackson versteckten sich sechzig Meter nördlich im Unterholz, Natalie mit dem Gewehr, das sie in Kalifornien aus dem Fahrzeug des Deputy geholt und beiseite gelegt hatten, als sie die M-16 und den größten Teil des Plastiksprengstoffs C-4 verstauten.
Catfish, Saul und das Ding, das Justin als Miß Sewell bezeichnet hatte, warteten ab, wobei die beiden Männer ab und zu Kaffee aus einer Thermosflasche tranken. Einmal hatte die junge Frau den Kopf gedreht wie die Puppe eines Bauchredners, Saul unverwandt angesehen und gesagt: »Ich kenne Sie nicht.«
Saul sagte nichts, erwiderte den Blick gleichgültig und versuchte sich das Gehirn hinter so vielen Jahren hirnloser Gewalt vorzustellen. Miß Sewell hatte die Augen so unvermittelt und mechanisch zugemacht wie eine aufziehbare Blecheule. Danach hatte niemand mehr etwas gesagt, bis Tony Harod kurz vor Mitternacht eingetroffen war.
Saul hatte einen Augenblick wirklich gedacht, der kleinwüchsige Produzent würde ihn erschießen, als er die Pistole so lange Sekunden auf Sauls Gesicht gerichtet hatte. Die Sehnen an Harods Hals standen vor, und Saul konnte sehen, wie der Finger am Abzug vor Verkrampfung weiß wurde. Da hatte Saul Angst gehabt, aber es war eine saubere und kontrollierbare Angst gewesen - ganz anders als die Angst der vergangenen Woche oder die rasende, lähmende Angst der >Grube< und der Hoffnungslosigkeit seiner nächtlichen Träume. Was auch immer als nächstes passieren mochte, es war Sauls Entscheidung gewesen, hierherzukommen.
Letztendlich hatte sich Harod damit zufriedengegeben, Saul zu verfluchen und ihm zweimal ins Gesicht zu schlagen, wobei der zweite Rückhandschlag eine Platzwunde auf Sauls rechter Wange riß. Saul hatte weder etwas gesagt noch Widerstand geleistet, und Miß Sewell war gleichermaßen reglos geblieben,
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