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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Stimme?«
    »Wir werden uns später um die anderen Angelegenheiten kümmern«, sagte Barent. »Im Augenblick sind Sie Mitglied des Island Club und haben damit auch ein Stimmrecht.«
    Harod ließ seine kleinen, spitzen Zähne sehen. »Dann enthalte ich mich«, sagte er. »Lassen Sie mich einfach in Ruhe, und machen Sie mit dem Mann, was Sie wollen.«
    Barent klopfte sich auf die Lippe und betrachtete einen leeren Monitor. Ein Blitz überlastete die lichtempfindliche Linse einen Augenblick und erfüllte den Bildschirm mit weißem Licht. »William«, sagte Barent, »ich kann nicht einsehen, inwiefern dieser Mann eine Bedrohung sein sollte, aber ich stimme mit Ihnen darin überein, daß die Bedrohung auf jeden Fall geringer sein würde, wenn er tot ist. Wir werden das Mädchen und andere Möchtegernrächer ohne Probleme finden.«
    Willi beugte sich nach vorne. »Können Sie warten, bis Jensen - mein Surrogat - sich erholt hat?«
    Barent schüttelte den Kopf. »Das würde das Spiel nur verzögern«, sagte er und nahm ein Mikrofon von der Konsole. »Mr. Swanson?« sagte er und hörte die Antwort mit einem winzigen Kopfhörer. »Verfolgen Sie das Surrogat, das nach Norden geflohen ist? Gut. Ja, ich habe ihn auch in Sektor Zwo- Sieben-Bravo-Sechs. Ja, es ist höchste Zeit, daß wir diesen Eindringling mit allen erforderlichen Maßnahmen eliminieren. Lassen Sie die Küstenpatrouille näherrücken, und ziehen Sie Helikopter Drei vom Patrouillendienst ab. Ja, benützen Sie Infrarot, und übermitteln Sie die Bodensensordaten falls erforderlich sofort an die Suchteams. Ja, davon bin ich überzeugt, aber bitte rasch. Danke. Barent Ende.«
    Natalie Preston saß in Melanie Fullers dunklem Haus in der Altstadt von Charleston und dachte an Rob Gentry. Sie hatte in den vergangenen Monaten oft an ihn gedacht, fast jeden Abend beim Einschlafen, aber in den zwei Monaten, seit sie Israel verlassen hatte, hatte sie versucht, Trauer und Bedauern in den Hintergrund zu drängen und Platz für die grimmige Entschlossenheit zu schaffen, die sie verspüren mußte. Es hatte nicht funktioniert. Seit ihrer Ankunft in Charleston hatte sie es sich zur Angewohnheit gemacht, einmal täglich an Robs Haus vorbeizufahren, für gewöhnlich gegen Abend. Die wenigen Stunden, die sie nicht mit Saul verbrachte, schlenderte sie durch die stillen Straßen, wo sie mit Rob spazierengegangen war, und erinnerte sich nicht nur an die trivialen Einzelheiten ihrer Unterhaltungen, sondern auch an die tieferen Empfindungen, die zwischen ihnen entstanden waren, obwohl sie beide gewußt hatten, wie kompliziert und vom Zeitpunkt her ungünstig eine Liebesbeziehung zwischen ihnen gewesen wäre. Sie hatte Robs Grab dreimal besucht und jedesmal ein Gefühl des Verlusts empfunden, das, wie sie wußte, keinerlei Rache überwinden oder kompensieren konnte, und jedesmal hatte sie sich geschworen, daß sie nicht noch einmal herkommen würde.
    Als die zweite endlose Nacht in Melanie Fullers Haus des Schreckens für Natalie begann, wußte sie ohne den Hauch eines Zweifels, wenn sie die folgenden Stunden und Tage überleben würde, dann würde es durch die Erinnerung an die Liebe sein, nicht durch die Entschlossenheit, Rache zu nehmen.
    Es war etwas mehr als vierundzwanzig Stunden her, seit Natalie allein mit Melanie Fullers hirntoter Menagerie war. Es war eine Ewigkeit.
    Sonntagnacht war die schlimmste gewesen. Natalie war bis Montag morgen vier Uhr in der Villa Fuller geblieben und hatte sich erst verabschiedet, als sie überzeugt war, daß Saul bis zum nächsten Gemetzel morgen nacht sicher sein würde. Wenn er wirklich noch lebte. Natalie wußte nur, was ihr das Ungeheuer Melanie durch den Mund des hirntoten Kindes sagte, das einmal Justin Warden gewesen war. Die vorgeschobene Geschichte, daß Nina Saul auf die Entfernung nicht kontrollieren konnte - daß Nina auf Melanies Hilfe angewiesen war, wenn sie sich und Willi vor dem Zorn des Island Club schützen wollte -, schien immer unbefriedigender, je mehr Stunden vergingen.
    Über lange Zeiträume der ersten Nacht hinweg saß Justin einfach nur stumm und blicklos da, und die anderen Mitglieder von Melanies >Familie< waren ebenfalls reglos wie Schaufensterpuppen. Natalie vermutete, daß die alte Frau vollauf damit beschäftigt war, Miß Sewell und den Mann zu kontrollieren, den sie seit Wochen mit dem Fernglas beobachtet hatten, wenn sie mit Justin sich im Park über dem Fluß aufhielt. Nein, dafür war es zu früh. Justin hatte

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