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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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deutlich zu erkennen.
    Einer der Scheinwerfer glitt am Strand und einer Mauer aus Laub entlang auf Saul zu, und dieser rannte auf den Dschungel zu und warf sich eine Sekunde bevor ihn der Lichtstrahl erfaßt hätte, hinter Farne und hohes Seegras. Er kauerte auf allen vieren hinter einer flachen Düne und dachte über seine Position nach. Helikopter und Patrouillenboote zeigten, daß Barent und die anderen ihr Spiel mit Surrogaten aufgegeben hatten und mit ziemlicher Sicherheit wußten, wen sie jagten. Saul konnte nur hoffen, daß seine Anwesenheit Verwirrung, wenn nicht gar regelrechten Zwist in ihren Reihen erzeugt hatte, aber er verließ sich nicht darauf. Es zahlte sich nie aus, wenn man Intelligenz und Hartnäckigkeit seiner Gegner unterschätzte. Saul war während der panischsten Stunden des Jom-Kippur-Krieges nach Hause geflogen und wußte sehr gut, daß Selbstgefälligkeit sich häufig als fatal erweisen konnte.
    Saul lief weiter, parallel zum Strand, schlug sich durch dichtes Unterholz, stolperte über Mangrovenwurzeln und war nicht einmal sicher, ob er in die richtige Richtung lief. Alle ein oder zwei Minuten warf er sich flach auf den Boden, wenn die Lichter der Suchscheinwerfer aufblitzten oder der Helikopter am Strand entlanggedonnert kam. Er wußte, sie hatten irgendwie herausgefunden, daß er sich an der Spitze der Insel befinden mußte. Er hatte während seiner stundenlangen stolpernden Flucht keine Kameras gesehen, zweifelte aber nicht daran, daß Barent und die anderen jedes erdenkliche technologische Mittel einsetzten, um ihre ekelhaften Spiele aufzuzeichnen und die Möglichkeit zu verhindern, daß ein schlaues Surrogat sich wochen- oder monatelang auf der Insel verstecken konnte.
    Saul stolperte über eine unsich t bare Wurzel, stieß mit dem Kopf gegen einen dicken Ast und landete mit dem Gesicht in zwölf Zentimeter tiefem Brackwasser. Er war gerade noch so weit bei Bewußtsein, daß er sich auf die Seite rollen, nach scharfkantigem Gras greifen und sich Richtung Strand ziehen konnte. Blut rann ihm an der Wange hinab in den offenen Mund; es schmeckte so ähnlich wie das salzige Sumpfwasser.
    Hier war der Strand breiter, allerdings nicht so breit wie der Streifen, wo die Cessna gelandet war. Saul wurde klar, daß er den Gezeitenablauf und die Bäche nie finden würde, wenn er sich unter den Bäumen hielt. Möglicherweise war er in dem alptraumhaften Dschungel mit seinen Sümpfen und Zweigen schon daran vorbeigegangen, ohne sie zu bemerken. Wenn sie noch eine gute Strecke entfernt lagen, würde er auf diese Weise Stunden brauchen, sie zu finden. Seine einzige Hoffnung lag am Strand.
    Weitere Boote kreisten das Areal ein. Saul, der unter den tiefhängenden Zweigen einer Zypresse lag, konnte vier erkennen, und eines kam näher, kaum dreißig Meter weit draußen wurde es von den Sturmwellen gebeutelt. Es fing an zu regnen, und Saul betete um einen tropischen Wolkenbruch, eine Sinflut, die die Sicht auf Null reduzierte und seine Feinde wie die Soldaten des Pharao ertränkte. Aber der Regen blieb ein konstantes leichtes Nieseln, das ein Vorspiel des wahren Sturms sein, ebensogut aber vorübergehen konnte, um wieder einem tropischen Sonnenaufgang zu weichen, der Sauls Schicksal besiegeln würde.
    Er wartete fünf Minuten unter den Zweigen und duckte sich hinter Seegras oder einen umgestürzten Baumstamm, wenn die Boote mit ihren Suchscheinwerfern näher kamen oder der Helikopter über ihn hinweg flog. Ihm war nach Lachen zumute, er wollte aufstehen und in den wenigen gesegneten Sekunden, bevor ihn die Kugeln trafen, Steine nach ihnen werfen und Verwünschungen ausstoßen. Saul duckte sich, wartete und spähte hinaus, als ein weiteres Patrouillenboot eintraf, dessen Heckschraube ihren Teil zu der salzigen Gischt beisteuerte, die schon zum Strand geweht wurde.
    Explosionen zerfetzten den Dschungel hinter ihm. Einen Augenblick dachte Saul, die Blitze wären näher gekommen, aber dann hörte er das Wutt-wutt der Rotoren und dachte sich, daß sie Sprengladungen von dem Helikopter abwerfen mußten. Die Detonationen waren zu stark für Granaten; Saul konnte die Vibration jeder Explosion durch den tiefen Sand und die bebenden Zweige der Zypressen spüren. Die Vibrationen wurden um so stärker, je lauter die Explosionen wurden. Saul vermutete, daß sie die Ladungen am Strand entlang verteilten, vielleicht zwanzig oder dreißig Meter in den Dschungel hinein, in Intervallen von sechzig bis achtzig Metern. Trotz

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