Kraft des Bösen
atemberaubende Schwarzweißfotografie eines kleinen Wüstenstädtchens nebst Friedhof betrachtete, das im Abendlicht unter einem blassen Mon d glänzte . »Vo n de m hab e ic h gehört. « Au f eine m anderen Kunstdruc k zo g ein e dicht e Nebelban k übe r ein e Stad t au f e i ne m Hügel.
»Mino r White« , sagt e Natalie . »Vate r ha t ih n Anfan g der fünfzige r Jahr e gekannt.«
De s weitere n fande n sic h Druck e vo n Imoge n Cunningham, Sebastia n Milito , Georg e Tice , Andr é Kertés z un d Robert Frank . Da s Bil d vo n Fran k veranlaßt e Sau l stehenzubleiben. Ei n Man n mi t dunkle m Anzu g un d Gehstoc k stan d au f de r V e rand a eine s ur alten Hauses oder Hotels. Eine Treppe zum er s te n Stoc k de s Gebäude s verbar g da s Gesich t de s Mannes . Saul verspürt e de n Drang , zwe i Schritt e nac h link s z u gehen , damit e r de n Man n identifiziere n konnte . Etwa s a n de r Fotografie erfüllt e ih n mi t große r Traur i gkeit . »E s tu t mi r leid , ic h kenne dies e Name n nicht« , sagt e Saul . »Sin d e s bekannt e Fotog r a fen?«
»Manche schon«, sagte Natalie. »Die Drucke sind jetzt das Hundertfach e vo n de m wert , wa s Vate r dafü r bezahl t hat , aber e r würd e si e niemal s verkaufen. « Da s Mä dche n verstummte.
Sau l ho b de n Schnappschu ß eine r schwarze n Famili e beim Picknic k auf . Di e Fra u hatt e ei n gütige s Lächel n un d glattes, schwarze s Haar , da s i m Sti l de r sechzige r Jahr e frisier t war.
»Ihr e Mutter?«
»Ja« , sagt e Natalie . »Si e ka m i m Jun i 196 8 b e i eine m se l t same n Unfal l um s Leben . Zwe i Tag e nachde m Rober t Ken n e d y ermorde t worde n war . Ic h wa r neun.«
Da s klein e Mädche n au f de m Fot o stan d au f de m Pickni c ktischchen , lächelt e un d sa h blinzeln d zu m Vate r auf . I n der Näh e hin g noc h ei n Porträ t vo n Nata l ie s Vater , ei n Porträ t von ih m al s ältere n Mann , erns t un d rech t hübsc h anzusehen . W e gen des dünnen Schnurrbarts und der strahlenden Augen mußte Saul an Martin Luther King ohne den kantigen Kiefer denken.
»Ei n wunderschöne s Porträt« , sagt e er.
»Viele n Dan k . Ic h hab e e s letzte n Somme r gemacht.«
Sau l sa h sic h um . »Gib t e s kein e gerahmte n Druck e vo n i h re m Vater?«
»Hie r drinnen« , sagt e Natali e un d gin g vorau s in s Eßzi m mer . »Da d wollt e si e nich t i m selbe n Zimme r wi e di e anderen aufhängen.« Über einem Spinett an de r lange n Wan d au f der gegenüberliegende n Seit e de s Eßzimmer s ware n vier Schwarzweißfotografien aufgehängt. Bei zweien handelte es sich um Studien von Licht und Schatten auf den Mauern alter Backsteinhäuser . Eine s wa r ein e unglaublic h beleuchtete Weitwin k elaufnahme von Strand und Meer, die sich bis in u n endlich e Fern e erstreckten . Da s letzt e zeigt e eine n Waldweg un d wa r ein e Studi e i n Flächen , Schatte n un d Komposition.
»Die sind wunderschön«, sagte Saul, »aber es sind keine Menschen zu sehen.«
Natalie lac h t e leise . »Da s stimmt . Mi t Porträtfoto s ha t Dad seine n Lebensunterhal t verdient , un d e r sagt e immer , de r T e u fe l soll e ih n holen , wen n e r auc h noc h welch e al s Hobb y ma c h te. Außerdem war er ein schüchterner Mensch. Er hat nicht gern e heimlic h Aufnahme n vo n M ensche n gemach t un d von mir stets verlangt, daß ich eine schriftliche Erlaubnis einholte, wenn ich es einmal tat. Es gefiel ihm nicht, die Privatsphäre vo n jemande m z u verletzen . Da d wa r ebe n einfac h … Si e w i s se n scho n … schüchtern . Wen n wi r un s ein e Piz za ins Haus kommen ließen, mußte immer ich anrufen.« Natalies Stimme wurde belegt, sie wandte sich einen Augenblick ab. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Ja« , sagt e Saul . »Da s wär e schön. « Nebe n de r Küch e lag ein e Dunkelkammer . Ursprünglic h mußt e da s ein e Vorr a t s kamme r ode r ei n zweite s Ba d gewese n sein . »Habe n Si e und Ih r Vate r hie r di e Foto s entwickelt? « fragt e Saul . Natali e nickte und schaltete das Rotlicht ein. Die kleine Kammer war orde n t lic h aufgeräumt : Vergrößerer , Tabletts , Flasche n mi t Chemik a lien , alle s au f Regale n un d etikettiert . Übe r de m Waschbecken ware n ach t ode r zeh n Abzüg e a n eine r Nylonschnu r auf g e hängt. Saul betrachtete sie. Sie zeigten alle das Fullersche Haus i n unterschiedliche m Licht , z u verschiedene n Zeite n un d aus verschiedene n Perspektiv e n
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