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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 4
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an der kleinen Lichtung angekommen war, stellte ich den Motor ab. Ich holte die Schaufel hinten aus dem Auto, um die weiche Deckschicht aufzubrechen und ein Loch für den Körper des Wildschweins zu graben. Leichte Arbeit normalerweise, doch schon nach wenigen Spatenstichen spürte ich ungewohnten Widerstand. Es war kaum etwas zu sehen, doch ich war mir sicher, dass dort etwas lag, was da nicht hingehörte. Schnell ging ich zum Auto zurück, um mir eine Lampe zu holen.
    Was ich im Licht der Taschenlampe sehen konnte, ließ mich zusammenfahren: Halb verborgen, mit Erde zugeworfen war dort ein Arm zu erkennen. Zart, schmal und hellhäutig. Und ich hatte in meiner Ahnungslosigkeit meinen Spaten mitten hindurch gestoßen. Schnell bückte ich mich und berührte die Haut. Eiskalt war sie. Wer immer dort lag, musste schon länger tot sein, erkaltet und steif. Vorsichtig suchte ich dort, wo das Gesicht sein musste, räumte mit den Händen die Erde weg, bis ich die Züge erkannte: Renate, die Frau von Jürgen, der mit mir im Sportverein war. Ich schnappte nach Luft und biss mir auf den Finger, um nicht zu schreien. Was war los, was war passiert? Zitternd hockte ich mich in den Schlamm und leuchtete mit der Lampe in ihr Gesicht. Ja, kein Zweifel möglich, das war Renate, auch wenn die Feuchtigkeit der Erde ihre schönen brünetten Haare in eine formlose Masse verwandelt hatte.
    Ich sprang auf und rannte sinnlos im Kreis um nachzudenken. Was konnte ich tun? Ich musste doch irgendetwas unternehmen! Nein, das war nicht schön, gar nicht schön. Ihre Haut hatte sich kalt angefühlt, die Augen leer in den schwarzen Nachthimmel geblickt. Vielleicht sollte ich sie ausgraben?
    Ich hatte ihn nicht kommen gehört. Als wäre er aus dem Himmel gefallen, stand er auf einmal hinter mir. Vielleicht war er ja auch schon die ganze Zeit da gewesen, das wusste ich nicht. »Sie war ein Luder«, sagte Jürgen. »Ich konnte nicht anders.«
    »Mensch, Jürgen, sie ist tot!«
    Jürgen nickte. »Ja, ich sage ja, ich konnte nicht anders.«
    »Aber wieso, was soll sie denn hier?«
    Er lachte. »Aber du hast doch immer erzählt, du würdest hier die toten Tiere entsorgen, weißt du nicht mehr? Und neulich hast du mich mal mit hierher genommen. Als die Hirschkuh angefahren worden war. Hier auf den Luderplatz hast du sie gebracht. Und hierher gehört auch Renate, das Luder.« Er atmete tief durch.
    »Du hast sie – umgebracht?« War es eine Feststellung, war es eine Frage, ich wusste es in diesem Moment selbst nicht.
    »Natürlich! Sie hat mich betrogen, ununterbrochen! Mit jedem hat sie es getrieben! Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Und als sie heute wieder unterwegs war, da wollte ich nicht mehr. Ich habe ihr einfach mit dem Hammer auf den Schädel geschlagen, es war ganz leicht.« Er machte eine Bewegung, als werfe er eine Feder zu Boden. »Und plötzlich lag sie da.«
    Jürgen machte einen Schritt auf mich zu. »Mensch, ich musste doch etwas tun, das musst du doch verstehen, oder?«
    Ich nickte. Ja, das verstand ich, dass etwas getan werden musste. Natürlich verstand ich das. Und das war manchmal gar nicht schön.
    Wie die knochigen Hände von Skeletten griffen die zweige der Bäume im Scheinwerferlicht nach der Scheibe des Autos. Der Toyota schlingerte von einer Seite zur anderen, arbeitete sich durch den grundtiefen Morast den Berg hoch, zurück zur Bundesstraße. Das schwierige war gewesen, Jürgen vor den Lauf der Flinte zu bekommen, ohne dass er Verdacht schöpfte. Gottlob war Jürgen nicht der Allerhellste. Erst als er auf die Därme blickte, die aus seiner aufgerissenen Bauchdecke quollen, begann er zu begreifen. Etwas zu spät, es reichte nicht einmal mehr, um ein oder zwei letzte Worte zu sprechen. Dann sank er in sich zusammen.
    An diese Nacht würden die Waldtiere wohl noch lange denken, überlegte ich. zwei dicke Mahlzeiten, die eine davon noch warm, einen Blutstrom in den Eifelboden vergießend. Die Adresse von diesem Luderplatz wird in Raubtierkreisen bestimmt hoch gehandelt, ein Fünf-Sterne-Luderplatz. Ich hatte schwer schuften müssen, um den Tieren ihre Mahlzeiten waidgerecht zu servieren.
    Das Handy klingelte, ich sah auf das Display. Kurbjuweit wieder. Ich drückte auf den grünen Knopf und meldete mich.
    »Ich wollte nicht stören«, meinte der Polizist, »aber ich hatte vorhin bei dir im Wald einen Schuss gehört. Warst du das?«
    »Ja«, beruhigte ich ihn, »ich musste nur einer alten Sau den Fangschuss

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