Kramp, Ralf (Hrsg)
draußen seine Kollegen instruierte, fluchte.
»Keine Dummheiten!«, brüllte Pieper aus einem geöffneten Fenster und schoss. Ehrlich gesagt, konnte er mit Waffen nicht wirklich umgehen, wusste nie, ob sie gesichert waren oder nicht, stand immer kurz davor, sich selbst in den Fuß zu schießen. Seine Cousine war die Hand am Abzug. Folglich löste sich der Schuss versehentlich. Natürlich dachten aber alle, er meine es ernst. Die Frauen und die Stoppelköpfe kreischten. Die ältere Holländerin rutschte ohnmächtig vom Stuhl. »Meine Frau!«, rief ihr Mann. Geduckt robbte sich Thea Greif mutig zu der Bewusstlosen. »Wir brauchen einen Arzt«, sagte sie zu Pieper.
Draußen hatte man den Schuss natürlich auch gehört. Die Streifenbeamten duckten sich, Günter Greif telefonierte nach Verstärkung. Er benutzte das Festnetz, Pieper versuchte es mit dem Handy.
Im Innern des
Kleinen Landcafé
herrschte Gemütlichkeit, aber auch ein Funkloch.
»Scheiße, ich hab’ hier kein Netz!«, fluchte Pieper, nachdem er sämtliche Geiseln in die Ecke vor der Kaffeemaschine befohlen hatte. Bis auf die ältere Holländerin, die dort, wo sonst immer die Künstler bei ihren Auftritten saßen, bewusstlos unter dem Tisch lag. Ihr Mann und Thea Greif knieten daneben.
»Ich brauche das Telefon!«, verlangte Pieper. Die Kellnerin drückte ihm das Schnurlose in die Hand. »Petra, du musst mir helfen!«, röhrte er gleich darauf in die Sprechmuschel.
»Stell dir vor, unsere Wirtin hier im
Bed & Breakfast
hat früher Filmproduktionen ausgestattet und schon mit Heidi Klum gearbeitet!«, freute sich am anderen Ende Petra, die sich mittlerweile in ihrem Ganzkörperflanellstrampler auf dem geblümten Sofa im ersten Stock räkelte und sich ganz allgemein des Lebens erfreute, insbesondere aber darüber, dass sie jetzt über Pensionswirtin Chrissie Rees womöglich an die private Telefonnummer von Heidi kam. Quatsch natürlich, aber soweit dachte ihre eine funktionierende Gehirnzelle nicht.
»Ich stecke hier mitten in einer Geiselnahme!«, schrie Paul sie an.
Auf dem Ohr war Petra taub. »Sie ist gerade unten in ihren Privaträumen und guckt so eine schwedische Mankell-Verfilmung«, plapperte Petra. »Ob ich sie wohl stören darf? Oder besser nicht, wie? Ich kann ja auch noch warten. Heidi schläft ohnehin bestimmt noch. Ist ja noch keine zwölf. Du, hier gefällt‘s mir. Hier bleiben wir, ja?«
»Petra, du Schnepfe! Ich brauche deine Hilfe. Ich stecke mitten in einer Geiselnahme!«, wiederholte Paul.
»Wer nimmt
dich
denn als Geisel?«, staunte Petra.
»Ich bin nicht die Geisel, ich bin der Geiselnehmer!«, röhrte Paul entnervt.
»Oh geil, Werbepause. Ich bestell mal rasch englischen Schwarztee mit Milch bei unserer Wirtin und frag sie nach der Nummer von Heidi. Ich ruf später zurück!« Man hörte noch, wie Petra ihr Handy zuklappte.
Über dem Café hörte man jetzt einen Hubschrauber kreisen.
Paul wollte sich die Haare raufen, aber wie bei Günter spross da oben nichts mehr außer Sommersprossen. Markanten Sommersprossen. An diesen Sprossen hatte Günter Greif ihn übrigens auch erkannt ...
3. Akt: Der Förster kommt nicht zum Schuss
»Hier spricht die Polizei!«, ertönte eine Stimme aus einem Megafon.
Das machte man eigentlich nicht mehr so, man befand sich ja im 21. Jahrhundert, aber Paul hatte in der Wut über seine cousine das schnurlose Telefon mit den Füßen zertreten, und im café gab es ja keinen Handyempfang. Also mussten von den Bodentruppen die Steinzeitwerkzeuge reaktiviert werden, während oben am Himmel über Kerpen der hochmoderne Polizeihubschrauber schwebte.
»Erlauben Sie doch, dass wir die Dame einem Arzt übergeben«, bat Thea Greif. Die Holländerin war immer noch bewusstlos. Der greise Gatte wimmerte.
»Nix!«, bläffte Paul. Er hatte noch nie eine Geiselnahme durchgezogen und fand es zudem höchst unerquicklich, dass er in eine Situation geraten war, die er nicht minutiös hatte planen können. Er hatte keine Ahnung, wie genau er vorgehen wollte. Und er hasste Planlosigkeit!
Offiziell galt er als Gewaltverbrecher, dem alles zuzutrauen war. Und das nur, weil sich bei einem seiner Banküberfälle ebenfalls versehentlich ein Schuss aus seiner Waffe gelöst hatte und als Querschläger dem Filialleiter in die Wade gedrungen war. Petra hatte sich angesichts des Blutflusses böse erbrechen müssen, und sie waren vor lauter Panik ohne Beute geflohen.
Dem Filialleiter ging es bald schon wieder gut, wie Pieper
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