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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 4
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Alschowski fluchtartig die Orte des Geschehens verlassen müssen, was er seinem zuständigen Sachbearbeiter bei den Arbeitsagenturen klugerweise verschwieg. Er galt bei allen Behörden als ein hemmungsloser, niemals zu kontrollierender, völlig lebensferner Chaot. Eine liebenswerte Null. Und jetzt war er bis in alle Ewigkeit an den Arsch der Welt verbannt.
    »Wenn ich das richtig verstehe, hast du ihn fotografiert«, murmelte Alschowski.
    »So ist es«, nickte Olga. »Du kannst es sehen, wenn du willst.«
    »Na gut, lass sehen«, nickte Alschowski.
    Sie nahm eine der Kameras und zeigte ihm im Display, was sie aufgenommen hatte. »Da siehst du die Decke neben ihm im Auto. Da liegt eindeutig was drunter, wie du siehst. Muss so groß sein wie ein Mensch, ganz klar. Er fährt dann das Auto in die Scheune. Dann schließt er die Scheune, geht nach nebenan zum Hauseingang, schließt auf, geht ins Haus. Siehst du?«
    »Na gut«, murmelte Alschowski gutmütig. »Jetzt ist die Frau im Auto unter der Decke in der Scheune, Otto ist im Haus. Das heißt doch, dass er an die Frau nicht mehr herankommt, oder?«
    »Das genau ist falsch«, sagte sie heiter. »Es gibt seit dem letzten Sommer einen Durchgang zwischen Wohnhaus und Scheune. Das weiß kein Mensch im Dorf, nicht mal Schulzens Maria, der eigentlich nie was entgeht. Den Durchbruch hat er sich selbst gemacht, und das Mauerwerk mit seinem Auto weggefahren. Das habe ich auch fotografiert. Sieh mal, hier.« Sie lächelte beseelt. »Ich habe immer gewusst, dass er eines Tages durchdreht, dass er verrückt wird, dass er solche Sachen macht. Je oller, je doller. Sieh mal hier: Da fährt er den Schutt von dem Mauerdurchbruch in seinem kleinen Anhänger weg. Und hier habe ich die grellrote Decke zum ersten Mal, und da zum zweiten Mal, und da zum dritten Mal.« Sie fuhr mit irrwitzig schnellen Handbewegungen zu den Kameras, zeigte Alschowski Bilder im Display, legte die Kamera zurück, wählte eine andere. »Also, ich denke, wir haben es mit drei Leichen zu tun, wahrscheinlich aber schon mit vier.« Sie hatte plötzlich ganz breite Lippen. »Einmal bin ich eingeschlafen. Tut mir sehr leid.«
    »Manche Fotos sind graugrün«, sagte Alschowski. »Wie kommt das?«
    »Das ist die dritte Kamera hier. Sie arbeitet mit einem Restlichtverstärker auch nachts ohne Zusatzlicht. Ich kann ja schlecht mit einem Blitzlicht arbeiten, da wird ja das ganze Dorf wach. Mir reicht eine matte Lichtquelle, zum Beispiel die Armaturenbeleuchtung in seinem Auto. Siehst du das? Hier: Sein Kopf, die Beleuchtung der Armaturen, die Decke über der Frau.«
    »Du solltest mit der Polizei reden«, hauchte Alschowski tonlos.
    »Das will ich ja auch«, erklärte sie. »Aber ich brauche vorher einen Beweis, sonst blamieren wir uns.«
    »
Wir
blamieren uns?«, fragte Alschowski schrill.
    »Na ja«, erklärte sie heiter. »Du musst mir helfen. Du gehst rüber, wenn er nicht da ist. Du guckst nach, wie es in dem Haus aussieht.«
    »Ich gucke also nach«, stellte Alschowski matt fest. Großer Gott, die Alte war richtig verrückt. Auf einem irren Trip. Dann fragte er empört: »Glaubst du, ich bin hierhergekommen, um mich von dir zu einem Einbruch verleiten zu lassen? Glaubst du dein eigenes Märchen? Glaubst du wirklich an Frauenleichen da drüben bei Otto?«
    »Aber ja!«, nickte sie begeistert. »Du etwa nicht?« Dann ruckte ihr Kopf nach vorn. »Da ist er ja!«, stellte sie fest.
    Otto stieg gerade aus seinem Auto aus. Er war ein kleiner, etwas gebeugter alter Mann wie tausend andere auch. Er war silberhaarig, sehr kurz geschoren. Er war schmächtig, nicht auffallend, mit einem nichtssagenden Ledergesicht. Er trug einfache blaue Jeans, ein rotkariertes Hemd. Schwarze Schuhe mit Klettverschlüssen. Darüber eine beige Anglerweste. Er war der Typ rüstiger Rentner. Er trippelte nicht wie ein alter Mann, wirkte auch nicht müde, bewegte sich schnell und zielsicher.
    »Der ist doch wirklich ganz normal«, murmelte Alschowski.
    »Das will er ja, das wollen sie doch alle: Normal aussehen«, zischte Olga.
    Otto hatte das Scheunentor geöffnet, den Wagen hineingefahren, war wieder herausgekommen, zur Haustür gegangen, hatte aufgeschlossen und war verschwunden.
    »Du brauchst ja nur mal zu gucken«, sagte Olga leise. »Mehr will ich nicht.«
    Alschowski war viel zu höflich, ihr die Bitte abzuschlagen. Er sagte: »Dann muss ich die Schlösser an der Haustür und an der Scheune knacken. Und das kann ich nicht.« Er dachte:

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