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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 4
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Herzlich willkommen im Kreis der Fantasten!
    »Du brauchst keine Türschlösser aufzubrechen«, stellte Olga resolut fest. »Es geht auch von hinten über die alten Karnickelställe in die Scheune. Das haben wir als Kinder immer so gemacht, wenn wir nicht gesehen werden wollten.«
    »Über die alten Karnickelställe«, nickte Alschowski ergeben. »Und wann sollen wir das machen? Sollten wir ihn nicht sicherheitshalber fragen, wann er mal für ein paar Stunden aus dem Haus ist? Damit ich das Ding in aller Ruhe durchziehen kann?«
    »Du spottest!«, warf sie ihm vor.
    »Ich habe keine Wahl«, nickte er.
    »Wir brauchen bloß bis zum Vollmond zu warten«, erklärte sie sachlich. »Dann wird er unruhig und kann es nicht erwarten. Dann fährt er abends gegen neun Uhr los und kommt erst im Morgengrauen zurück.«
    »Klar«, flüsterte Alschowski ergeben. »Wie immer! Bei Vollmond!«
    »Das ist in genau vier Tagen«, sagte Olga mit der Stimme eines Generals.
    Der vierte Tag verlief in einer sehr starken Spannung, die immer unerträglicher wurde. Alschowski saß in dem winzigen Wohnzimmer und sah sich dümmliche Unterhaltung im Fernsehen an. Er saß so, dass er Ottos Haus immer in seinem Blickfeld hatte.
    Als Otto gegen 21 Uhr herauskam, die Haustür abschloss, um dann zu dem Scheunentor zu gehen, schrillte Alschowskis Handy, und Olga sagte: »Ich habe es gewusst: Er geht wieder auf Tour. Du kannst jetzt starten, er kommt die ganze Nacht nicht zurück. Wir lassen diese Verbindung stehen, damit ich dich warnen kann, wenn er früher zurückkommt. Und sei ganz ruhig, mein Kleiner.«
    Mein Kleiner? Alschowski war stinksauer auf sich selbst, aber er war zu höflich, um ihr zu sagen, sie sei eine Närrin. Und er war auch viel zu höflich, um sie darauf hinzuweisen, dass sie niemals eine Leiche fotografiert hatte, dass das alles nichts als ein elendes Hirngespinst war. Gleichzeitig aber regte sich in einem Teil seines Bewusstseins der geradezu strahlende Gedanke, dass dieses Vorgehen in der Nacht, dieses fremde, unbekannte Haus, dieses Spiel mit ganz unbekannten Erfahrungen ihm sehr gut tat.
    Er trug, was ein guter Einbrecher tragen würde: Alte schwarze Jeans, einen uralten dünnen schwarzen Pulli, schwarze Sneakers. Und er trug schwarze Lederhandschuhe, weil er damit rechnete, über uralte, sperrige, verstaubte, rätselhafte Dinge hinwegsteigen zu müssen, die seit einem Jahrhundert nicht bewegt worden waren.
    Otto, ich komme!
    Er querte gemächlich die Straße, er sah keinen Menschen. Er ging an Ottos Wohnhaus entlang, dann an der Scheune, dann an einem Anbau, der einmal eine Werkstatt gewesen war. Dann drehte er sich nach links und sah die alten Karnickelställe, die in drei Reihen wie eine Treppe aufstiegen. Olga hatte das gut erklärt. Wahrscheinlich hatte sie aber vergessen zu bedenken, dass sie selbst vor mehr als sechzig Jahren hier herumgeturnt war. Was war, wenn das alles schlicht wegen Altersschwäche zusammenbrach?
    Alschowski kletterte auf den ersten Karnickelstall, der sehr heftig wackelte. Er erreichte mühelos die zweite Reihe und zog sich weiter hinauf. Dann die Krönung: Die obersten Ställe. Olga hatte recht; da war eine Lücke im Mauerwerk, ein gut erkennbares, großes Loch. Er griff beherzt zu, die Steine fühlten sich gut an, und sie wackelten nicht. Er zog sich hoch und hing dann mit dem Kopf vor dem Loch. Er sah absolut nichts, nur finsterste Schwärze.
    Er zog das Handy aus der Hosentasche und fragte: »Was ist hinter dem Loch in der Wand? Ich meine, kann ich da auf irgendetwas hoffen? Ich bin gut sechs Meter über dem Boden.«
    »Du musst jetzt auf das Dach von der Werkstatt kommen«, entschied Olga. »Da kannst du auch die Lampe einschalten, da kann dich sowieso niemand sehen.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr!«, meinte Alschowski und zog die Taschenlampe aus der hinteren Tasche der Jeans. Er schnaufte vor Erleichterung als er sie einschaltete. Als Einbrecher würde ich mit Sicherheit verhungern, dachte er.
    Er hatte hinter dem Loch eine leicht abschüssige Ebene vor sich, nicht länger als fünf Meter. Das Dach der Werkstatt, wie Olga festgestellt hatte. Sicherheitshalber stellte sich Alschowski nicht hin, sondern rutschte auf dem Hintern auf das Ende der Schräge zu. Schön behutsam, damit nichts Erschreckendes geschehen konnte.
    Dann tat es einen gewaltigen, erschreckend lauten Knall und unmittelbar rechts neben ihm stieg eine Staubwolke in das Licht der Taschenlampe. Er musste heftig husten und achtete

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