Kramp, Ralf (Hrsg)
Schlimme Brut, die zwei. Nichtsnutze, wenn es je welche gegeben hat. Mit denen hat er dann geredet. Was, das weiß ich nicht, konnte ich von der Straße aus nicht hören. Und am nächsten Tag behaupteten die beiden, die böse Bäckerin hätte sie entführt und wollte Lösegeld erpressen. Der eine Sohn meinte sogar, sie hätte seinen Bruder, den fetteren der beiden, essen wollen, aber das war wohl nur so ein dummer Lümmelspaß. Jedenfalls hätten sie ein Feuer gelegt, um sich befreien zu können. Das mit der toten Frau hätten sie ehrlich nicht gewollt, das sei Notwehr gewesen.
Nun muss man wissen, dass ihr Vater, der Gerd, bei der Polizeidirektion in Koblenz arbeitet. Und dass alle den mögen, weil er so ein feiner Kerl ist, der zum Geburtstag immer einen ausgibt. Mettbrötchen mit tüchtig Zwiebeln. Die mag ja jeder. Auch wenn abends dann die Decke hochgeht.
Fragen Sie mich, wie der Gerd es geschafft hat, aber schon am nächsten Tag war klar, dass keine Anklage erhoben wird – und die zwei Jungens liefen mit nigelnagelneuen Nintendingens rum. Und neuen Kopfhörern. Und ihr Vater bekam Birrebunnes. Lebenslänglich.
Ich bin dann nochmal zu dem abgebrannten Haus hin. Das war abgesperrt, aber so was gilt ja nur für Passanten, also Zivilisten, die damit nichts zu schaffen haben.
Da hab ich dann was gefunden.
Also, das glaubt man nicht.
Ich musste direkt Herztabletten nehmen!
Die Hexe hat gar nicht selber gebacken. Die leeren Hüllen waren von Aldi! Eifeler Birnenmustorte extra fein! Vom
Lecker-lustigen Vulkanbäcker
.
Wenn der Josef das erfährt, dann trifft ihn der Schlag. Das überlebt er nicht, dass die Leute so was seiner Torte vorgezogen haben. Dann gibt die Ader auf. Da platzt der Schlauch.
Muss unbedingt zu ihm.
Ich würde mit so einer Lüge keinen Tag länger leben wollen.
Und für eins werde ich sorgen. Dass es beim Leichenschmaus vom Josef nur Birrebunnes gibt. Den leckeren. Ich besorg den.
Muss ja keiner wissen, wo der herkommt.
Papa hasst Fremdsprachen!
T IM B RENNER
Einer aus der sechsten Klasse hat mir heute auf dem Schulhof erzählt, dass ein Regenwurm selbst dann überleben kann, wenn er in der Mitte durchgeschnitten wird. Aus einem Wurm werden dann zwei, hat er behauptet. Mein Vater sagt allerdings, dass man nicht alles glauben soll, was man so hört. Daher beschließe ich, mir selbst ein Bild zu machen.
Ich bin heute ganz alleine zu Hause. Mama ist in der Volkshochschule. Sie lernt neuerdings Spanisch.
Wozu sie denn in der Eifel Spanisch braucht, hat mein Vater sie neulich gefragt, nutzen kann sie es hier auf jeden Fall nicht.
Daraufhin hat meine Mutter nur mit den Schultern gezuckt und zurückgefragt: »Und wozu brauchst du eine Motorsäge? In unserem Garten steht nicht ein Baum.«
»Na ja. Man kann nie wissen«, meinte mein Vater.
»Siehst du!«, hat meine Mutter geantwortet.
Manchmal habe ich den Eindruck, sie ist ihm zumindest sprachlich irgendwie überlegen.
Ich hole die große Schere aus Papas Schreibtischschublade, ziehe mir meine Gummistiefel an und gehe aus dem Haus. Mit der Schere bewaffnet, stapfe ich durch unseren Garten. Nacheinander drehe ich einen Stein nach dem anderen um. Es ist natürlich wie immer, wenn man was sucht. Sonst liegen unter jedem Stein mindestens zwei Würmer, heute finde ich keinen einzigen.
Nach einer halben Stunde bin ich das Suchen leid. Ich beschließe, zu Bauer Kespohl zu gehen. Auf der Wiese von Kespohl gibt es bestimmt Regenwürmer, da gehe ich jede Wette ein, und sonst weiß der zumindest, wo ich welche finden kann.
Auf dem Weg zu Kespohl komme ich an den neuen Ferienhäusern vorbei, die sie hier für die Holländer gebaut haben. Die Holländer lieben die Eifel – fragt mich nicht warum.
Vor einem der Häuser steht Mamas Auto. Seltsam! Ich dachte, die Volkshochschule ist in Euskirchen, aber vielleicht habe ich da auch etwas falsch verstanden. Was mich allerdings wundert, ist, dass nur ihr Auto vor dem Haus steht.
Also zwänge ich mich unter dem Maschendrahtzaun hindurch in den kleinen Garten und sehe durch das Wohnzimmerfenster. Keine Sau da! Komisch, denke ich. Mutter sprach immer davon, dass in dem Kurs 15 Leute sitzen. Wo die nur stecken mögen?
Gerade will ich mich um das Haus schleichen und noch in die übrigen Zimmer sehen, da fällt mir ein, dass ich ja wegen etwas ganz anderem unterwegs bin. Ruckzuck bin ich wieder auf der Straße und setze meinen Weg fort.
Der Besuch bei Bauer Kespohl ist ein voller Erfolg. Er erklärt
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