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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 4
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funktioniert.

Vor die Pumpe gelaufen
    G UIDO M. B REUER
    Vera Scheuch hatte eigentlich gute Laune gehabt, als sie an diesem sonnigen Herbstmorgen besonders früh an die Arbeit gegangen war. Ihre Stimmung war auch nicht durch eine Notiz getrübt worden, dass die dringend für eine Marketing-Aktion benötigten Prospekte nicht in ihrer Abteilung, sondern irgendwo im Lager liegen müssten. Selbst die Tatsache, dass es in den Hallen des Pumpenherstellers FELU-WA mehrere Läger gab und sie nun alle würde abklappern müssen, empfand sie als nicht weiter tragisch.
    Aus dem Verwaltungsgebäude war sie zunächst in die zu dieser Stunde schon recht belebte Montagehalle gegangen und hatte das dortige Lager durchsucht. Ohne Erfolg. Dann führte sie ihr Weg ins Metall- und von dort ins Gusslager. Hier war es still. Kein Kollege weit und breit zu sehen, den sie hätte fragen können. Von der Betriebsamkeit, die zu dieser frühen Stunde bereits in der Fertigung und der Montage herrschte, war hier nichts zu spüren. Vera Scheuch sah sich um. Hatte sie nicht gerade aus dem Augenwinkel jemand gesehen? Eine huschende Bewegung. Es schien jedoch außer ihr niemand da zu sein.
    »Guten Morgen!«, rief sie dennoch in die Lagerhalle hinein. Vielleicht würde ja jemand antworten. Was nicht geschah. Sie sah sich suchend um. Wo konnten hier Prospekte liegen, und weshalb? Und warum lag dort diese große schwarze Kunststoffhülse mitten auf dem Weg? Und warum ragten daraus zwei Beine hervor? Besonders diese letzte Frage, die Vera Scheuch durch den Kopf schoss, setzte ihrer guten Laune nun doch endlich arg zu. Sie trat näher, spähte vorsichtig in das zylindrische Werkstück hinein, von dem sie wusste, dass es dort eigentlich nichts verloren hatte. Das galt jedoch noch viel mehr für den Mann, der darin steckte. Sie fasste mit einiger Beunruhigung einen Fuß und rüttelte daran. Doch als sie mehr von dem Körper des Mannes sah, wusste sie, dass er davon nicht aufzuwecken war.
    »Nicht anfassen!«
    Vera Scheuch zuckte zusammen, als die laute Stimme hinter ihr ertönte. Ihre Hand zuckte zurück, und sie drehte sich um.
    »Nicht anfassen«, wiederholte die Frau, die sich lautlos an sie herangepirscht hatte und sie nun mit scharfem Blick anstarrte. Sie hielt ihr einen Ausweis vor die Nase, steckte diesen dann in einer betont eleganten Bewegung wieder ein und sagte: »Diana Kall, Bundeskriminalamt. Sie befinden sich an einem Tatort.«
    »Und was für einem«, fügte ein Mann hinzu, der aus einer dunklen Ecke des Lagers hervortrat. »Wolf Muldenau, Spezialagent des BKA. Wir sind leider um Minuten zu spät gekommen.«
    »Wieso?«, fragte Vera Scheuch, mehr aus Überraschung als dass sie ernsthaft erwartete, darauf eine sinnvolle Antwort zu erhalten.
    »Um diesen Chinesen zu retten natürlich«, entgegnete Muldenau und begann, ohne die Frau weiter zu beachten, mit einem Zollstock, den er offenbar im Lager gefunden hatte, die Leiche und die sie umgebende Hülse zu vermessen.
    »Hab ich’s mir gedacht – goldener Schnitt«, murmelte er gedankenverloren. »Kall, unsere schlimmsten Erwartungen sind eingetroffen.«
    »Ja, Muldenau«, antwortete Diana Kall. »Es ist eine X-Akte.«
    »X-Akte? Goldener Schnitt? Wovon reden Sie?« Vera Scheuch war verwirrt, gleichzeitig aber neugierig geworden.
    »Hehe, ich meine nicht den Messerschnitt, der diesen Besucher aus dem Reich der Mitte seiner Lebenskraft beraubt hat«, grinste Muldenau. »Sie können das nicht verstehen. Besser so für alle Beteiligten. Aber – da Sie ja nun mal hier und Teil des Geschehens sind, werde ich Sie soweit wie möglich aufklären: Der Tote hat eine Körperlänge von einhundertachtundsiebzig Zentimetern – gar nicht schlecht für einen Chinesen. Dieses seltsame Gummirohr, in dem er steckt ...« Er stockte kurz.
    »Das ist eine Multisafe Doppel-Schlauchmembran für große Pumpen«, warf Vera Scheuch erklärend ein. Muldenau sah sie aus großen Augen an, dann fuhr er fort: »Gut, nennen wir es ein Elefanten-Diaphragma – jedenfalls dieses Ding misst einhundertundzehn Zentimeter. Das bedeutet, dass sich die Länge des chinesen zur Länge seines Behältnisses verhält wie die Summe von Körper und Behältnis zu ebendiesem chinesen. Dies ist der berühmte Goldene Schnitt, auch
sectio aurea
oder
proportia divina
genannt.«
    »Um Gottes willen!«, rief Vera Scheuch aus, die angesichts der Leiche den Ausführungen Muldenaus nicht zu folgen vermochte.
    »Mitnichten ist dies Gottes Wille«,

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