Kramp, Ralf (Hrsg)
hat.
»Nein!«, gibt er zurück. »Man bräuchte mehr als hundert Jahre, selbst wenn man jeden Tag einen ganzen Krimi lesen würde.«
Die beiden Tischtennisfreunde fragen, ob er einen Mann mit einem vollen, roten Haarschopf gesehen habe.
Der Bärtige bejaht die Frage. »Ich konnte beobachten, wie er immer wieder aus dem Café trat und auf die Uhr sah. Als habe er sich mit jemandem verabredet, der ihn augenscheinlich versetzt hat. Plötzlich war er verschwunden.«
Im Ermittlungszimmer herrscht reges Treiben. Die Leiterinnen sind mit der Gruppe zurückgekommen. Sie waren den ganzen Tag unterwegs, haben Spuren verfolgt und Leute befragt. Besonders ergiebig waren wohl ein Pfarrer und ein Hundesalonbesitzer. Alle diskutieren wie besessen ihre Ergebnisse. Hat der Dackelmörder wieder zugeschlagen? Hängt der alte Fall mit der Frauenleiche zusammen? Jede Menge Theorien. Und gewiss jede Menge Blasen an den Füßen. Hobbyermittler müssen ganz schön laufen. Nix für mich
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Wie fleißig sie waren. Erinnert mich an die australischen Wildhörnchen, die sich in einer Wohnung am Rathausmarkt so schnell vermehrt haben, dass sich kein Bewohner mehr in die Räume traute. Da musste ich mit einem leichten Betäubungsgas, das ich durchs Schlüsselloch eingeleitet habe, erst mal Ordnung schaffen. Das Ehepaar hatte tatsächlich 33 Wildhörnchen in der Wohnung. Als die nach und nach aus dem Tiefschlaf erwacht sind, haben sie jedes mit Namen angeredet. Die Hälfte der possierlichen Tierchen mussten sie verschenken, damit nicht wieder so ein Chaos passierte
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Beim Krimidinner halten wir dicht, genau wie der Berliner es gesagt hat. Aber als beim Nachtisch einer damit prahlt, der Fall sei gelöst, da platzt es aus mir heraus
…
Eberhard hat mir auf der Herfahrt gesteckt, dass die Auflösung des Falles erst am Sonntagvormittag fällig sei. Deswegen würde immer mal wieder eine falsche Fährte gelegt, damit die Sache sich nicht zu schnell aufklärt
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Es ist eigentlich alles genauso wie beim Tischtennis. Man muss den Gegner in Sicherheit wägen, der muss glauben, er habe leichtes Spiel und dann muss man zustechen. Davon versteh ich was
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»Und was ist mit der zweiten Leiche?«, rufe ich dazwischen. Alle schauen mich entgeistert an
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Die Blicke von Regula, Nina, dem Berliner und sogar von Eberhard reichen aus, um mich für immer in die Ewigen Jagdgründe zu wünschen
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Das Mafiazimmer ist leer. Keine Leiche, nirgends.
Herbert steht da und sagt: »Na klar ist sie verschwunden. War ja auch ein Schauspieler!«
Die beiden Polizistinnen sehen sich an, ein wenig irritiert. Scheint noch nie vorgekommen zu sein, dass einer der Teilnehmer einfach eine Leiche hinzu erfindet.
Die grünen Damen geben kleinlaut zu, dass auch sie am Morgen die männliche Leiche gesehen hätten. Nach einigem Zögern schließt sich Eberhard an.
»Watt denn! Watt denn!«, lässt sich der Berliner vernehmen. »Wenn hier ne tote Leiche rumjelegen hätte, dann wär’ sie wohl noch da, oder irre ick mir?«
»Die Mafia hat ihre Leichen auch immer verschwinden lassen«, sagt Nina. »Wenn das keine Spur ist …«
Die beiden Leiterinnen bitten die Teilnehmer wieder zum Krimidinner hinunter. Schließlich steht noch eine Lesung mit Deutschlands komischstem Kriminalschriftsteller an.
»Der wird auch dir gefallen, Herbert«, sagt Eberhard.
Am Sonntagmorgen wieder ein Schrei. Hört das denn nie auf? Ich will mich noch mal rumdrehen, aber da geht das Getrampel im Treppenhaus los – als sei eine Horde Waschbären unterwegs
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Das Zimmermädchen hat wieder mal einen Toten entdeckt. Im Wandschrank auf dem Flur
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Sie wollte frische Bettwäsche herausholen, und da fällt ihr ein Mann entgegen. Spärlich bekleidet. Und wirklich tot
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Nun gibt es kein Halten mehr
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Ein Chaos sondergleichen
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Mehrere Teilnehmer brechen in Tränen aus. Wenden sich von dem Rothaarigen ab, der gekrümmt und ausgesprochen steif auf dem Teppichboden liegt
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Die beiden Pseudopolizistinnen telefonieren hektisch. Nun muss die richtige Polizei ran
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Die Hamburgerinnen fallen beinahe parallel in Ohnmacht. In ihren grünen Seidennachthemden sehen sie aus wie Laubfrösche im Frühlingsteich
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Ich gehe sofort runter an die Rezeption und frage Frau Kohlhaas, wer im Mafiazimmer eingecheckt hat. Jetzt will ich es aber wissen
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»Niemand«, bekomme ich zur Antwort. »Die Suite ist am Wochenende unbelegt gewesen.«
Ich nenne ihr den Namen des Toten, den haben wir ja in seinen Papieren entdeckt. Kein
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