Krampus: Roman (German Edition)
nun, mein Kind?«
»Schwer zu sagen. Das lässt sich im Nachhinein unmöglich feststellen. Der Schlitten hat sich gedreht, und …« Isabel sah zu den anderen, die mit den Schultern zuckten.
»Der Sack muss in der Nähe der Leiche sein.« Krampus schrie fast vor Aufregung. »Ihr müsst die Leiche finden, oder den Ort, an dem sie gelandet ist. Das sollte nicht allzu schwer sein. Fangt dort an zu suchen. Teilt euch auf und kämmt die Umgebung durch, und …« Er blieb stehen und schaute jeden der Belznickel nacheinander an. »Wir müssen schneller sein als Nikolaus. Er weiß jetzt, dass ich noch lebe … und er weiß von euch. Er wird seine Ungeheuer ausschicken. Der Sack ist die Trophäe. Er bedeutet alles. Falls er ihn zuerst findet, sind wir alle so gut wie tot.« Er griff nach einem der Shawnee-Speere und gab ihn Makwa. »Eure Messer habt ihr noch? Gut. Nehmt auch das Gewehr und die Pistole mit. Ihr werdet sie brauchen, wenn seine Ungeheuer euch finden.«
»Die Pistole haben wir verloren«, sagte Isabel.
»Wipi hat auf ihn geschossen«, fügte Vernon hinzu. »Mindestens dreimal, aus nächster Nähe. Ich stand direkt daneben. Jeder einzelne Schuss war ein Treffer, mitten in die Brust … Es hat ihn nicht mal aus der Puste gebracht.«
»Nein«, sagte Krampus. »Das hätte ich auch nicht erwartet. Jetzt beeilt euch, macht schon. Jede Sekunde zählt.«
Die Belznickel nahmen zwei Speere und eine alte Schrotflinte mit gesplittertem Schaft von einem Werkzeughaufen. Einer nach dem anderen kletterten sie den Schacht empor.
Krampus rief ihnen hinterher: »Haltet die Augen nach seinen Ungeheuern offen. Wenn ihr sie seht, werdet ihr sie erkennen. Ihr werdet sie erspüren.« Halblaut fügte er hinzu: »Genau, wie sie euch erspüren werden.«
***
Jesse fuhr in die Auffahrt eines kleinen, alten Hauses, von dem die weiße Farbe abblätterte. Linda und Abigail wohnten seit der Trennung bei Lindas Mutter. Er sah auf die Uhr. Er hatte verschlafen, und es ging schon auf Mittag zu.
Dann warf er einen Blick nach hinten, wo zwei große Müllbeutel voller Spielzeug auf Abigail warteten. Unwillkürlich grinste er und strich über den scharlachroten Sack des Weihnachtsmanns, der neben ihm lag. Er streichelte den schweren, kostbaren Samt. Was den Sack betraf, hatte er ein gutes Gefühl, und er würde ihn gewiss nicht aus den Augen lassen. Das Zauberding würde ihm sicherlich auf die eine oder andere Weise Glück bringen. Nur wusste er noch nicht genau, wie. Im schlechtesten Fall konnte er ihn immer noch verkaufen, irgendjemand konnte einen spielzeugausspuckenden Sack sicher gebrauchen. Als er aus dem Wagen steigen wollte, stieß etwas in seiner Jacke dumpf gegen die Tür. Er zog die Pistole hervor.
»Die werde ich wohl nicht brauchen«, sagte er schnaubend. »Andererseits, bei Linda weiß man nie.« Er steckte die Waffe zurück ins Handschuhfach.
Jesse klopfte an die Eingangstür und wartete. Als niemand öffnete, klopfte er erneut, diesmal lauter.
»Nur die Ruhe«, rief jemand, »bin gleich da.«
Erst hörte er ein Schlurfen, dann öffnete Polly die Tür und musterte ihn durchs Fliegengitter. Sie setzte eine mitleidige Miene auf.
»Sind sie hier?«, fragte Jesse.
Er dachte schon, sie würde ihm überhaupt nicht antworten, da seufzte sie. »Warum willst du dir das antun?«
Jesse versuchte, an ihr vorbei ins Wohnzimmer zu spähen.
Sie warf einen Blick über die Schulter. »Ich verstecke sie nicht bei mir unterm Sofa. Ich sagte doch, dass sie nicht da sind. Hier ist niemand.«
»Dann sind sie bei Dillard«, schlussfolgerte Jesse.
Polly schwieg.
»Verdammt noch mal!« Er stampfte auf der Fußmatte auf. »Sagen Sie es mir, Misses Collins. Was findet sie bloß an diesem Mistkerl?«
»Die gleiche Frage habe ich ihr einmal über dich gestellt.«
»Der Kerl ist an die sechzig. Finden Sie es in Ordnung, dass Linda mit einem Mann ausgeht, der fast so alt ist wie Sie?«
»Linda war nie besonders gut darin, sich den Richtigen auszusuchen. Dillard sorgt zumindest für sie. Das ist mehr, als manch anderer von sich behaupten kann.«
Jesse bedachte sie mit einem wütenden Blick.
»Er kommt nach der Arbeit nach Hause, wie man es von einem anständigen Mann erwarten darf. Er besitzt einen vernünftigen Wagen. Ein hübsches Haus.«
Da wandte Jesse den Kopf zur Seite und spie aus. »Das Haus hat er mit schmutzigem Geld bezahlt.«
Polly zuckte mit den Schultern. »Besser als gar kein Geld.«
»Ich muss los.« Er wandte sich auf
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