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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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den Eingangsstufen zum Gehen.
    »Es wäre klüger, wenn du dich von diesem Mann fernhalten würdest.«
    Jesse hielt inne, drehte sich um und schaute Polly in die Augen. »Linda ist immer noch meine Frau, wissen Sie. Eine unbedeutende Kleinigkeit, die anscheinend alle außer mir vergessen haben.«
    »Ich sage ja bloß, dass du ihn besser nicht aufscheuchen solltest. Handele dir keinen Ärger mit ihm ein – das ist wirklich das Letzte, was du gebrauchen kannst.«
    »Wenn er meint, dass er einfach so einem anderen die Frau ausspannen kann, dann ist es an mir, ihm den Marsch zu blasen.«
    Sie lachte, ein spöttischer, unangenehmer Laut. »Jesse, du wärst gern ein Bösewicht, aber das bist du einfach nicht. So gut kenne ich dich dann doch. Dillard dagegen ist wirklich einer von der üblen Sorte. Sein Vater wurde sechs Mal angeschossen und kann heute noch davon erzählen. Im Gegensatz zu denjenigen, die auf ihn geschossen haben – die sind inzwischen alle unter der Erde. Sein Großvater war so ein mieser Kerl, dass sie ihn hängen mussten, ehe er zweiundzwanzig war. Dillards Wurzeln hier in der Gegend reichen tief, und er hat das Gesetz auf seiner Seite. Er kann dich auf die eine oder andere Art loswerden. Also schalte lieber einen Gang zurück, solange du noch kannst.«
    Jesse errötete. Mrs. Collins musste ihm keine Vorträge über Dillard Deaton oder vielmehr über den Polizeichef Dillard Deaton halten, was um einiges wichtiger klang, als der Träger dieses Titels tatsächlich war, da es in Goodhope nur zwei Vollzeitpolizisten gab. Nicht die Polizeimarke machte Jesse Sorgen, sondern der Umstand, dass der Mann gute Beziehungen zu Sampson Boggs hatte, der hier im Ort als »der General« bekannt war. Boggs und sein Clan waren an allen möglichen Gaunereien beteiligt – Glücksspiel, Hundekämpfe, Prostitution, Sozialbetrug –, und sie konnten einem jede beliebige Droge verkaufen. Anscheinend gehörte es zu den ehrenwerten Pflichten von Polizeichef Deaton, dass er dem General im Tausch gegen einen Anteil an seinem Profit den Rücken frei hielt – das war schon so lange so, wie Jesse sich zurückerinnern konnte.
    Dillards Verbindungen gingen aber noch weiter: Der Boggs-Clan und Dillards Familie hatten eine lange und hässliche gemeinsame Geschichte. Dillards Vater hatte sich die Kugeln, von denen Mrs. Collins gesprochen hatte, bei zwielichtigen Nebenjobs für die Boggs eingefangen. Blut war in Boone County dicker als Wasser, und Fehden und Streitigkeiten wurden in der Regel mit außerjuristischen Mitteln beigelegt. Man musste aufpassen, mit wem man in Streit geriet, weil Blutsbande immer vorgingen. Jesse hingegen hatte kaum Verwandte, und für die wenigen, die er hatte, interessierte sich keiner. Ohne Familie, die hinter einem stand, war man kaum der Rede wert. So lief das hier eben.
    »Das zwischen mir und Dillard ist etwas anderes«, sagte Jesse. »Wenn ein Mann sich an der Frau eines anderen vergreift, ist das persönlich. Jeder weiß, dass er damit eine Grenze überschreitet und alles, was danach passiert, nur die beiden Männer und niemanden sonst betrifft. Da wird mir jeder zustimmen.«
    Die Sturheit wich aus Pollys Miene, und mit einem Mal sah sie nur noch alt und traurig aus. »Jesse, Linda hat endlich ihr Glück gefunden. Verdirb ihr das doch nicht. Lass sie einfach in Ruhe. Verstehst du nicht?«
    »Misses Collins, ich wünsche Ihnen eine frohe Weihnacht.« Ohne sich noch einmal umzudrehen, stieg Jesse in seinen Wagen und fuhr davon.

    ***

    Vor der Tür keine Spur von Dillards Streifenwagen. Aufatmend bog Jesse in die Auffahrt vor dem Haus des Polizeichefs ein, hielt hinter Lindas zerbeultem Ford und schaltete den Motor aus. Das Grundstück, ein hübscher, zwei Morgen großer Flecken Land am Fluss, lag direkt am Stadtrand. Das Haus war erst vor kurzem renoviert worden: neue Ziegelmauern und eine umlaufende Veranda. Ein moderner weißer Chevy-Geländewagen stand vor der Garage, die groß genug für drei Autos war. »Schickes Haus. Schickes Auto. Erstaunlich, was man sich dieser Tage von einem Kleinstadtpolizistengehalt so alles leisten kann.«
    Jesse öffnete die Wagentür, zögerte jedoch auszusteigen. Was zum Teufel mache ich hier? Ihm wurde bewusst, dass es leicht war, vor Mrs. Collins die Klappe aufzureißen, aber jetzt, da er hier war, war er nicht mehr so selbstsicher. Abigails Geschenke können auch warten. Ich kann genauso gut morgen wiederkommen. Er schüttelte den Kopf. »Oh nein. Sie ist

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