Krampus: Roman (German Edition)
Falle sei; genau so würden auch die anderen die Ereignisse auffassen, da konnte er sich noch so sehr bemühen, ihnen alles zu erklären. Sicher war auch, dass der General einen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt hatte, eine Belohnung für jeden, der etwas über seinen Aufenthaltsort wusste. Der Mann würde alle Hebel in Bewegung setzen, um ihn aufzuspüren. Vor allem aber hatte der General ihm unmissverständlich klargemacht, dass er Abigail etwas antun und sie unter die Erde bringen würde, wenn Jesse ihn hinterging. Jesse vermutete, dass sie seine Tochter bereits entführt und in die Residenz des Generals gebracht hatten. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie sehr sie sich fürchten musste.
»Ein paar üble Kerle sind hinter meiner Tochter her«, sagte Jesse. »Ich muss dafür sorgen, dass ihr nichts passiert.«
Krampus nickte. »Ich verstehe.«
»Das ist noch nicht alles. Die Sache ist kompliziert. Ich muss sichergehen, dass sie ihr nie wieder etwas antun werden.«
»Tote Männer können niemandem etwas tun.« Krampus lächelte.
Jesse überlegte, welche Chancen er wohl haben mochte, wenn er allein beim General auftauchte – er und sein altes Jagdgewehr gegen ein Dutzend oder mehr schwerbewaffnete Männer mit Automatikwaffen.
»Ich bin sehr gut darin, die Bösen zu bestrafen. Wir können sie einen nach dem anderen erledigen … sie verschwinden lassen.« Krampus deutete auf den Sack im Auto.
»Wie meinst du das?«
»Ich will damit sagen, dass ich der Meister dieses Sacks bin. Ich kann ihm befehlen, sich zu jedem beliebigen Ort hin zu öffnen … auf dieser Welt oder auf einer anderen. Wir können deine Freunde auf den Meeresgrund schicken … oder ins Reich der Toten, wenn du das bevorzugst.« Sein Lächeln nahm einen unheilvollen Ausdruck an.
Jesse versuchte, sich ein Bild von der Sache zu machen. Er hatte sich bislang nicht gefragt, was geschah, wenn man etwas in den Sack zurücksteckte, und wo es dann landete. Die Vorstellung war verstörend, aber wenn dieses Geschöpf die Wahrheit sagte, wenn es auch nur einen Teil seiner Versprechungen einlöste, dann machte das alles sehr viel einfacher. Vielleicht landete er dann nicht einmal im Gefängnis. Nur wie konnte man einem Teufel vertrauen? Er musterte Krampus eindringlich.
»Wie du mir vertrauen kannst?«
Jesse erschrak. Anscheinend konnte sein Gegenüber in ihm lesen wie in einem offenen Buch.
»Du hast mir das Leben gerettet. Warum sollte ich dir nicht helfen?«
Jesse begriff, dass es letztlich eine Frage des Risikos war. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ihm gelang, seine Tochter alleine zu retten, gegen die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Geschöpf, dieser Teufel, ihm wirklich beistehen würde. Vielleicht ist das hier die Gelegenheit. Vielleicht ist es den Versuch wert.
Die beiden Vögel an den Hälsen gepackt, kehrte Makwa zurück. Er bedachte Jesse mit einem finsteren Blick. Einer der Raben lebte noch, und Krampus streckte die Hand nach ihm aus. Jesse hatte gewusst, dass die Vögel groß waren, größer als jeder Rabe, den er bisher gesehen hatte, aber als er sie aus der Nähe sah, traute er seinen Augen kaum. Sie hatten mindestens die Ausmaße von Geiern oder Adlern. Der eine Vogel zappelte in Krampus’ Griff und versuchte, ihn zu beißen und nach ihm zu hacken.
»Hugin«, gurrte Krampus dem Vogel leise zu, »sei tapfer.« Er beugte den Kopf vor und flüsterte ihm leise und tröstend etwas ins Ohr. Das Tier beruhigte sich langsam. Krampus nahm es in die Arme und strich ihm behutsam über das schwarze Gefieder. Der Atem des Vogels wurde langsamer, und ihm fielen die Augen zu. Krampus küsste ihn auf den Kopf. »Es bekümmert mich, dich so zu sehen. Du und dein Bruder, ihr habt Odin gut gedient.«
Er streichelte dem Raben über Schnabel und Kopf. Der Vogel plusterte sein Gefieder auf und lehnte sich an Krampus’ Brust. Der ließ die Finger um den Hals des Tiers gleiten und drehte ihm schnell und kräftig den Kopf herum. Jesse hörte ein Knacken, und der Vogel wurde schlaff. Krampus hielt ihn weiter an sich gedrückt, und Jesse sah ihm an, dass er untröstlich war.
»So wenige von den Alten leben noch«, sagte Krampus mehr zu sich selbst. »Und jetzt sind es wieder zwei weniger.« Seine Lippen bebten. »Diese Tat lege ich dir zur Last, Sankt Nikolaus. Ein weiterer Mord auf deiner Liste, ein weiterer Tod, den es zu rächen gilt.« Krampus küsste den toten Raben noch einmal auf den Kopf und biss ihm dann in den Schädel.
»Herrje«, sagte
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