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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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warst ein ungezogener Junge, Jesse. Ein sehr ungezogener Junge.«
    Jesse versuchte, etwas zu erwidern, er wollte sagen, dass er ein braver Junge gewesen war, doch er brachte die Worte nicht über die Lippen.
    Sechs vornübergebeugte Gestalten schlichen sich von hinten an den Weihnachtsmann heran. Sie hatten pechschwarze Haut, gewundene Hörner wuchsen ihnen aus den Köpfen, und lange rote Zungen hingen ihnen über die schwarzen Zähne. Sie musterten Jesse, als wäre er eine schmackhafte Mahlzeit.
    Der Weihnachtsmann löste die Kordel an dem Sack und öffnete ihn. Deutlich konnte Jesse die Schreie hören, die nicht etwa von jungen Katzen und Hunden stammten, sondern von Kindern. Sie weinten und klagten, als litten sie große Schmerzen.
    Mit einem dicken Finger deutete der Weihnachtsmann auf Jesse. »Er steht auf der Liste der ungezogenen Kinder. Steckt ihn in den Sack.«
    Die Teufel grinsten, rieben sich die langen Finger und streckten sie nach Jesse aus.

    Jesse öffnete die Augen und stellte fest, dass er sich in einem Raum mit sechs Teufeln befand, deren zusammengekauerte Gestalten sich als dunkle Umrisse im flackernden Licht des Ofens abzeichneten. In der Kirche war es dunkel, und Jesse begriff, dass es Nacht war. Er fragte sich, wie lange er geschlafen hatte. Ein übler Geruch fiel ihm auf. Blut?
    Jesse suchte die Schatten ab und stellte fest, dass sein Blick von großen, starren Augen erwidert wurde. Er setzte sich auf.
    Eine Kuh, oder zumindest ihr Kopf, der auf einer Kiste lag. Blut tropfte von ihrer Zungenspitze auf den Boden. Puh, dachte er, wo kommt der denn her? Ihm fiel auf, dass an der Wand ein großer Waschzuber aus Blech stand. Jesse konnte einen Rumpf, eine Flanke und zwei Beine ausmachen, die herausragten. Jemand wird die Kuh sicher vermissen. Noch etwas anderes hatte sich verändert: Mehrere Haufen mit Mistelzweigen lagen herum. Anscheinend waren die Äste angespitzt worden.
    Schwankend richtete er sich auf und streckte eine Hand aus, um sich abzustützen. Ihm war immer noch etwas schwummerig von dem Met zumute. Er hatte keine Kopfschmerzen und nicht die Spur eines Katers, sondern fühlte sich nur ein wenig beduselt. Außerdem knurrte ihm der Magen. Jesse hoffte, dass sich noch etwas anderes zu essen auftreiben lassen würde als rohes Rindfleisch. Hinter den Mistelzweigen kauerten die Belznickel um den Sack herum.
    »Nein, Krampus«, knurrte Vernon. »Das ist nicht das Richtige.«
    Krampus hielt etwas in der Hand, das nach einer Muskete aussah. Jesse kam näher, um sie genauer ins Auge zu fassen, und bemerkte dabei, dass zwei Schwerter, ein Schild und ein alter, verrosteter Revolver auf dem Boden lagen.
    Er hockte sich neben Isabel hin. »Was ist hier los?«
    Vernon antwortete ihm: »Wir versuchen, ihn dazu zu bringen, uns vernünftige Waffen zu besorgen. Du weißt schon, nur für den Fall, dass zufällig ein riesiger Wolf oder irgendein anderes Ungeheuer vorbeikommt.«
    »Er kann also alles Mögliche aus dem Sack dort rausholen?«, fragte Jesse. »Nicht bloß Spielzeug?«
    Krampus nickte geistesabwesend.
    Jesse war ganz Vernons Meinung – bessere Waffen konnten tatsächlich nicht schaden und wären mit Sicherheit unentbehrlich, wenn sie die Residenz des Generals stürmten. »Ihr braucht automatische Waffen. Ein paar Sturmgewehre wären genau das Richtige.«
    »Das habe ich ihm ja gerade gesagt«, sagte Vernon, ohne einen Hehl aus seiner Verärgerung zu machen. »Moderne Waffen, Krampus. Du hast doch Bilder davon in der Zeitung gesehen.«
    Krampus hob sichtlich hilflos die Hände. »So einfach ist das nicht. Zunächst muss man wissen, was man sucht.«
    »Vielleicht kann ich helfen«, warf Jesse ein.
    Krampus blickte zu ihm auf und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ja, das kannst du. Komm her.« Er klatschte neben sich mit der Hand auf den Boden. »Setz dich.«
    Jesse ging zu ihm hinüber, und Krampus legte den Sack zwischen sie.
    »Der Sack findet alles, was ich mir wünsche. Aber zuerst muss ich wissen, wonach ich suche. Außerdem ist es leichter, wenn der Sack weiß, wo er suchen muss. Weniger anstrengend ist es auch, und solange ich nicht ganz erholt bin, muss ich meine Kräfte einteilen.«
    »Klar doch, kein Problem. Was soll ich machen?«
    »Du hilfst mir suchen. Da du nicht dem Geschlecht Lokis angehörst, wird der Sack dir nicht gehorchen. Also müssen wir zusammenarbeiten. Wir müssen ihn gemeinsam festhalten. Während du an einen Ort und einen Gegenstand denkst, werde ich den Sack

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