Krampus: Roman (German Edition)
Jesse und versuchte, auf die Beine zu kommen. Ash, der locker doppelt so viel wog wie er, ließ sich auf ihm nieder und drückte ihn mit den Knien zu Boden.
Linda setzte sich auf, berührte ihre aufgeplatzte Lippe und bestaunte das Blut an ihren Fingern.
»Mommy?« Abigail stand im Schlafanzug im Flur. Mit verwirrter Miene hielt sie ihre Puppe umklammert. Dann entdeckte sie Jesse. »Daddy? Daddy!«, heulte sie und rannte auf ihn zu.
Dillard wollte sie am Arm packen, griff aber daneben und erwischte stattdessen ihr Haar. Abigail wurde zurückgerissen und schrie vor Schmerz und Entsetzen auf.
»Scheiße!«, brüllte Jesse, trat um sich und bäumte sich auf. Er spürte nicht einmal die Handschellen, die ihm ins Fleisch schnitten, während er verzweifelt versuchte, Ash abzuschütteln.
»Oh nein, das wirst du nicht«, sagte Ash und rammte ihm die Faust gegen den Hinterkopf.
Einmal mehr verschwamm die Welt vor Jesses Augen, aber er hörte Abigail noch immer weinen.
Dillard, der das Mädchen nach wie vor an den Haaren festhielt, zog sie zu der Tür am anderen Ende des Wohnzimmers und öffnete sie. Dahinter führte eine Treppe in den Keller. »Linda«, blaffte er. »Ich will nicht, dass ihr etwas passiert, du musst mit ihr nach unten gehen … sofort. «
Linda rappelte sich auf, rannte zu Abigail und nahm sie auf den Arm. Weinend schlang Abi ihr die Arme um den Hals. Jesse erhaschte einen letzten entsetzten Blick von Linda, als sie und die Kleine zusammen die Kellertreppe hinunterstolperten.
»Verdammt«, sagte Chet halblaut. »Hab ich dich nicht gewarnt, Jesse? Hab ich dir nicht gesagt, dass du dich nicht mit ihm anlegen sollst?«
Dillard knallte die Tür zu und schloss Linda und Abi ein. Einen Moment lang stand er bloß da und atmete tief und langsam ein und aus. Dann drehte er sich bedächtig zu Jesse um, kam in den Flur zurück und nahm die Mac-10 in die Hand. Er ging auf ein Knie, packte Jesse bei den Haaren und richtete die Maschinenpistole auf sein Gesicht.
»Wo hast du die Waffe her?«
Blut rann Jesse aus der Nase in den Mund und am Kinn herab. »Knall mich doch ab, du Arschloch«, sagte Jesse. Er meinte es ernst. Schließlich wusste er, dass er erledigt war, auf die eine oder andere Art, und wollte bloß noch die Erinnerung an Abigails herzzerreißenden Schrei aus seinem Kopf verbannen. Den Gedanken, was nun aus Linda und Abigail werden würde, ertrug er nicht. Dillard hatte recht gehabt. Er war ein Verlierer. Er hatte nicht nur versagt, sondern alles nur noch schlimmer für alle Beteiligten gemacht.
Der Polizeichef drückte Jesse die Waffe an die Schläfe und legte den Finger auf den Abzug. Chet und Ash wichen zurück. Totenstille senkte sich über den Flur, Jesse kniff die Augen zu und wartete.
»Äh … Dillard«, sagte Chet leise. »Der General meinte, wir sollten ihm den Kerl lebend bringen. Du weißt schon? Ich mein ja bloß.«
Dillard regte sich nicht. Er schien zu Stein geworden zu sein.
»Mensch, komm schon. Keiner von uns will den General auf dem Hals haben.«
Dillard stieß einen gedehnten Seufzer aus, reichte Chet die Maschinenpistole und sagte dicht an Jesses Ohr: »Du hast alles kaputtgemacht. Für mich, für dich, für Linda und Abigail.« Ein Zittern stahl sich in seine Stimme. Er klang, als wäre er den Tränen nahe. »Als wir uns das letzte Mal miteinander unterhalten haben, habe ich dir etwas versprochen. Erinnerst du dich? Ich habe dir gesagt, was du zu erwarten hast, wenn du noch einmal einen Fuß auf meinen Grund und Boden setzt.« Er packte Jesses kleinen Finger und knickte ihn mit einem Ruck ganz nach hinten um.
Jesse spürte ein Knacken, und der Schmerz schoss ihm durch den ganzen Arm. Er schrie auf.
Der Polizeichef machte mit dem nächsten Finger weiter und danach mit dem nächsten. Einen nach dem anderen drehte er die Finger an Jesses linker Hand so weit herum, dass sie nicht bloß auskugelten, sondern brachen. Jesse brüllte, bäumte sich auf und versuchte zu begreifen, wie etwas derartig weh tun konnte. Alles begann sich um ihn zu drehen, und die Welt schien nur noch aus hellen Lichtern und dem Geschmack der Steinfliesen an seinen Zähnen zu bestehen. Mit einer letzten Drehung brach Dillard ihm den Daumen. Um Jesse herum wurde es dunkel, und er versank in gnädiger Ohnmacht.
Kapitel 9
Blutbad
V om Rücksitz von Chets Chevy Avalanche aus beobachtete Jesse, wie das Tor knirschend in seinem rostigen Lauf aufgeschoben wurde. Es regnete jetzt stärker, und der sich
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