Krampus: Roman (German Edition)
auch nur zu öffnen. Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, wie man das anstellt. Ash, schließ doch bitte das Tor.«
Wie geheißen drückte Ash auf den Schalter. Das Werkstatttor senkte sich rasselnd, und Jesse sah zu, wie es den grauen Tag langsam aussperrte. Es kam ihm vor, als stülpten sie einen Sargdeckel über ihn.
Alle standen schweigend da und warteten, was der General als Nächstes tun würde. Jesse hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie so allein gefühlt. In der Ferne hörte er gedämpft einen Zug pfeifen und fragte sich, ob Abigail das Pfeifen wohl auch hörte. Ihm wurde klar, dass er sich noch nicht einmal von ihr hatte verabschieden und ihr ein letztes Mal sagen können, wie lieb er sie hatte. Er hatte immer noch ihren Schrei in den Ohren, konnte hören, wie seine süße Kleine vor Angst und Schmerz aufheulte, und das alles wegen ihm. Es tat so weh, als drückte ihm jemand ein Brandeisen auf die Haut. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, die heißen Tränen in seinen Augen zurückzuhalten. Er war bereit, bereit für das Ende. Bald würde alles vorbei sein.
Chet rollte den Werkzeugwagen heran. In den beiden Fächern lagen allerlei Geräte: Sägen, Hämmer, Pinzetten, ein Handbohrer, eine Nagelpistole und sogar ein Schweißbrenner. Jesse bemühte sich, nicht hinzuschauen.
»Es gefällt mir nicht besonders, wie Dillard mit Linda und Abigail umspringt«, sagte Chet an den General gewandt.
»Wieso, was hat er gemacht?«
»Er hat Linda eine blutige Lippe verpasst.«
»Tatsächlich?«, fragte der General.
»Und er hat die Kleine an den Haaren durch die Gegend geschleift.«
»Ich schätze, die beiden sind jetzt seine Sache.«
»Deshalb ist das noch lange nicht in Ordnung«, grollte Chet.
»Hier ist eine ganze Menge nicht in Ordnung«, sagte der General und richtete den Blick auf Jesse. »Es gibt da einen Haufen Scheiße, dem man auf den Grund gehen muss.« Er zog einen Hocker heran und setzte sich vor den Gefesselten. »Jesse, du bist längst tot. Du weißt es, und ich weiß es. Daher fragst du dich wahrscheinlich, warum du mir überhaupt noch was erzählen solltest. Ich schätze, die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie schlimm dein Tod sein soll.« Er zog einen kurzen silbernen Revolver aus dem Gürtel und richtete ihn auf Jesse. »Wenn du all meine Fragen geradeheraus beantwortest, dann schieße ich dir in den Kopf, und alles ist vorbei. Darauf hast du mein Wort. Du weißt, dass ich mein Wort halte.«
Er deponierte die Waffe auf dem Werkzeugwagen, beugte sich vor und zog etwas aus dem untersten Fach. Als er es in die Höhe hielt, blickte Jesse mit einem Mal dem abgetrennten Kuhkopf in die toten, trüben Augen. Der General ließ ihn auf Jesses Schoß fallen. Seine Hose sog sich mit kalter Feuchtigkeit voll, und ein überwältigender Gestank stieg ihm in die Nase.
Der General nahm seinen Hut ab, sodass das Deckenlicht sich auf seiner nackten Kopfhaut spiegelte. Er legte den Hut auf den Werkzeugwagen, nahm die Nagelpistole zur Hand und hielt sie Jesse vors Gesicht. »Wenn ich mich hingegen mit dir abmühen muss oder du mich auch nur ein einziges Mal anlügst, dann wird die Angelegenheit sehr schnell sehr hässlich.« Der General richtete die Nagelpistole zu Boden und drückte ab. Ein Nagel sauste hervor und prallte funkenstiebend und mit einem lauten Klingen vom Steinboden ab. Als Nächstes drückte er Jesse die Nagelpistole an die Kniescheibe. »Also, Jesse Walker. Wie ist der Kuhkopf da in meinen Safe gekommen?«
Jesse schloss die Augen und versuchte, sich auf den Schmerz vorzubereiten, weil er wusste, dass er nur das Falsche sagen konnte, weil er sie niemals von der Wahrheit überzeugen würde und sich unmöglich eine auch nur ansatzweise glaubwürdige Lüge einfallen lassen konnte. Es gab keinen Ausweg, niemand würde seine Schreie hören, nicht hier draußen, und falls doch, dann würde niemand so dumm sein, deshalb die Polizei zu rufen. Ich bin am Arsch, so einfach ist das.
»Ich besitze eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung«, sagte der General. »Ich habe mir die Aufnahmen angesehen, und von dem Moment, als ich gegangen bin, bis zu meiner Rückkehr am nächsten Morgen war niemand auch nur hier in der Nähe und schon gar nicht in meinem Büro. Der Safe wurde nicht aufgebrochen, und keiner außer mir kennt die Zahlenkombination. Also, Jesse, sag mir, wie du das angestellt hast.«
Jesse öffnete den Mund und versuchte, sich irgendetwas einfallen zu lassen.
Der General
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