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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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noch nicht zufriedenstellend geklärt war, schien McCoy von meinem Dilemma nichts zu ahnen. So wie es sich anhörte, interessierte er sich in erste Linie dafür, ob ich meinen Urlaub genoss. Vielleicht fühlte er sich mehr der hiesigen Tourismusbranche verpflichtet als der Polizei. Ich fragte McCoy, wie lange er schon für die Forstverwaltung arbeitete.
    »Seit siebenundzwanzig Jahren. Und immer im Daniel Boone Forest. Seit knapp vierzehn Jahren bin ich für die Red River Gorge zuständig. Ich bin in Clay City aufgewachsen. Liegt fünfzehn Meilen westlich von hier. Bevor ich den Führerschein machte, bin ich überallhin mit dem Rad gefahren.«
    »Das müssen Sie die Schlucht ja in- und auswendig kennen.«
    Er zwinkerte mir zu. »Jeden Winkel kennt da keiner. So ist die Natur nun mal. Heute fahre ich in eine richtig entlegene Gegend, um nach einer bestimmten Goldrutenart zu sehen.«
    Vielleicht lag es an etwas, das mit meiner Kindheit zusammenhing, an Smokey, dem Bären, Ranger Rick oder so etwas in der Art. Vielleicht lag es auch an McCoys schneidiger, perfekt gebügelter Uniform oder dem coolen breitkrempigen Hut, doch mein Zynismus löste sich in Luft auf, und mein Herzschlag stockte kurz bei der Aussicht, mit einem echten Ranger wandern zu gehen.
    Ich stöhnte wie ein Teenager, der gerade von seiner Freundin den Laufpass gekriegt hatte. »Herrje, was würde ich darum geben, Sie begleiten zu können.«
    Er schmunzelte. »Wir werden ein paar Stunden unterwegs sein. Sie sollten also Proviant einstecken.«
    Ehe McCoy es sich anders überlegen konnte, packte ich den Rucksack und griff nach der Feldflasche.
    »Wollen Sie Ihren Hund mitnehmen?«, fragte der Ranger durch die Tür. »Im Natural Bridge Park sind Hunde nicht erlaubt, in der Schlucht hingegen schon.«
    Kaum hatte ich nach Mix-up gepfiffen, stiegen wir in McCoys Jeep Cherokee und kamen schon bald an der Abzweigung vorbei, die zur einzigen anderen Hütte in der Nähe führte.
    »Sind Sie schon Doktor Charpentier begegnet? Er wohnt gleich dort hinten.«
    »Nein.«
    »Der Mann liebt es, stundenlang durch den Wald zu schlendern und nachzudenken. Falls Sie ihn sehen, müssen Sie unbedingt mit ihm reden. Ein sehr kluger Kopf. Mir ist noch nie jemand begegnet, der so schnell Informationen in sich aufsaugt und verarbeitet.«
    »Ist Charpentier Mediziner?«
    McCoy schüttelte den Kopf. »Psychologe aus Montreal. Ist vorzeitig in Pension gegangen und des Klimas wegen hierhergezogen, weil ihm Kanada zu kalt und der Süden der USA zu warm ist. Doktor Charpentier findet Kentucky perfekt, was die Temperaturen anbelangt. Und unser Wald erinnert ihn an die kanadischen Forstgebiete.«
    Wir verließen die Schlucht und fuhren nach Norden. Kurz darauf erreichten wir den National Forest und rollten in die Talsohle. Während wir nach Südosten steuerten, lag der Red River zu unserer Linken. Wann immer sich der Wald lichtete, konnte man meterhohe, von Kiefern bestandene Felswände erspähen.
    »Wunderbarer Anblick«, fand ich.
    »Je nachdem, wie man’s sieht.« McCoy deutete mit dem Kinn auf eine sechzig Meter hohe Steilwand. »Es kommt immer wieder vor, dass Leute von den Sandsteinkliffs fallen. Hauptsächlich zugedröhnte Einheimische und besoffene College-Kids. Sie campen auf dem Felsgrat wegen der Aussicht, vergessen irgendwann, wo sie sind, und purzeln runter. Letzte Woche machte ein Typ von da oben einen zweieinhalbfachen Auerbachsalto. Ich gehörte zum Rettungsteam. Oder – besser gesagt – zum Leichenbergungsteam. Im Lauf der Zeit habe ich mehr als zwei Dutzend Leute zusammengesammelt.«
    McCoy ging vom Gas, als uns ein riesiges Wohnmobil auf der Mittellinie entgegenkam, zwängte sich daran vorbei, verließ die Fahrbahn und schaltete den Motor aus. An dieser Stelle begann der Wanderweg. Erst jetzt, nachdem wir ausgestiegen waren und unsere Rucksäcke herausgeholt hatten, erwähnte McCoy die Ereignisse des vergangenen Tages.
    »Wie ich hörte, haben Sie Detective Cherry kennengelernt«, meinte er. »Dass Sie am Tatort waren, hat sie verblüfft.«
    »Nicht nur sie. Alle anderen und mich auch«, entgegnete ich.
    McCoy räusperte sich. »Hat Detective Cherry angedeutet, dass es zuvor einen weiteren Todesfall gegeben hat? Der große Ähnlichkeit mit dem in der Hütte aufweist?«
    »Nein«, sagte ich gespannt und bemühte mich, keine Miene zu verziehen. »So weit, sich wie zwei Kollegen auszutauschen, sind wir leider nicht gekommen.«
    »Der andere Vorfall liegt eine Woche

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