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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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haben, fragte ich mich, ob zwei verschiedene Persönlichkeiten in ihr wohnten, was perfekt zu den unterschiedlichen Augen gepasst hätte. Ich beschloss, mein konfrontatives Verhalten abzulegen und an ihre Vernunft zu appellieren, falls das überhaupt möglich war. Ich kramte mein Handy hervor und rief die Liste mit den eingegangenen Anrufen auf.
    »Lassen Sie uns mal versuchen, die Uhrzeiten abzugleichen«, schlug ich vor und hielt das Display so hin, dass sie es lesen konnte. »Der Anruf ging um drei Minuten vor sieben bei mir ein. Hier steht Anrufer unbekannt . Das war der einzige Anruf, den ich heute erhalten habe, und zwar von einer Frau mit, ähm, deutlichem Akzent. Wann haben Sie von der Leiche erfahren, Detective Cherry?«
    Sie blätterte die vor ihr liegenden Unterlagen durch, zog ein Blatt Papier hervor und las, was darauf geschrieben stand. »Um sechs Uhr vierzig.«
    Darüber verlor meine Vernunft die Kontrolle, und ich schlug mit der Hand auf den Tisch. »Und trotzdem sind Sie nicht vor halb acht dort erschienen!«, entfuhr es mir. »Zehn Minuten nach mir, obwohl Sie vor mir informiert wurden. Mussten Sie unterwegs noch frühstücken?«
    Sie biss die Zähne zusammen und wandte den Blick ab. »Die Nachricht, die wir erhalten haben, erreichte uns nicht auf, ähm, normalem Weg. Es dauerte eine Weile, bis wir uns darauf, ähm, einen Reim machen konnten.«
    »Hat man Sie etwa per Brieftaube informiert?«, spottete ich.
    »Das geht Sie nichts an.«
    »Verdammt, das kann man so oder so sehen. Jemand ruft mich an, dessen Stimme wie Ihre klingt, lotst mich an einen Tatort, und jetzt beschuldigt man mich mehr oder minder, einen Mord begangen zu haben.«
    »Niemand beschuldigt Sie, Ryder«, sagte sie. »Noch nicht.«
    »Darf ich das so verstehen, dass ich aus diesem Irrenhaus, das Sie leiten, verschwinden kann?«
    Ihr Blick verfinsterte sich. Mit verkniffener Miene stand sie auf und deutete mit dem Kinn Richtung Tür.
    »Sie können gehen.«
    Ich erhob mich, machte ein paar Schritte und blieb in der Tür stehen, wo ich mich umdrehte und in gespielt fröhlichem Tonfall sagte: »Wenn ich mal wieder in der Gegend bin und Sie den Rat eines super-duper Schnüfflers aus Mobile brauchen, Detective Cherry, rufen Sie mich einfach an und nennen Ihren Namen. So schwer ist das nun auch wieder nicht …« Ich hielt die Hand neben das Ohr und spreizte den Daumen und kleinen Finger. »Meine Nummer haben Sie ja, oder?«
    Ich zwinkerte ihr zu und verschwand.
    *
    Als ich am nächsten Morgen kurz vor halb sieben aufwachte, hörte ich Vogelgezwitscher und das Krächzen der Krähen, was durchaus angenehm war und mich die verrückten Ereignisse des gestrigen Tages vergessen ließ. Die durch das offenstehende Fenster hereinströmende Luft roch nach Kiefern und Morgentau. Mix-up trottete nach draußen, um sich zu erleichtern.
    Nachdem ich geduscht und mich angekleidet hatte, trank ich einen Kaffee und traf mich anschließend mit Gary zu einer zweistündigen Kletterlektion. Als ich gegen halb elf groggy und beseelt zurückkehrte, saß ein Mann in einem der Schaukelstühle auf meiner Veranda und tätschelte den Kopf meines Hundes.
    Mein unerwarteter Gast war der Ranger, den ich vor zwei Tagen zusammen mit Sheriff Beale gesehen hatte. Ich trat auf die Veranda und reichte Lee McCoy die Hand. Als Senior Ranger war er für die Red River Gorge Area im Daniel Boone Forest verantwortlich.
    »Mir ist zu Ohren gekommen, was gestern passiert ist«, meinte McCoy und zog eine wieder verschließbare Plastiktüte mit einem fünf Zentimeter dicken, rosafarbenen Oval hervor. »Da hielt ich es für eine gute Idee, Sie auf gewohnte Art willkommen zu heißen.«
    »Schinken aus der Gegend?«, fragte ich mit Blick auf die Tüte.
    Er grinste. »In Pfeffer eingelegt, über Haselnuss geräuchert und richtig abgehangen. Wenn Sie den von beiden Seiten eine Minute lang in heißer Butter braten, gelangen Sie zu der Überzeugung, nie im Leben etwas Besseres gegessen zu haben.«
    Ich drückte den Schinken so fest an die Brust, als müsste ich einen Sack Diamanten hüten, bevor ich ihn in den Kühlschrank legte. Richtig guten Landschinken findet man nicht in Supermarktregalen, solche Köstlichkeiten werden unter der Ladentheke ausschließlich an Kenner verkauft. Nachdem ich uns Kaffee eingeschenkt hatte, saßen wir auf der Veranda und plauderten über alle möglichen Themen, doch es fühlte sich komisch an. Obwohl meine Beziehung zu dem Mordopfer für die hiesige Polizei

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