Krank (German Edition)
abnahm, hörte ich zuerst einen Rülpser und dann Beale juniors Stimme.
»Ist Ryder noch da, Louella?«
»Ja, Sheriff.«
Eine kurze Pause. »Na, dann schicken Sie ihn mal rein.«
Nachdem ich Louella dankend zugenickt hatte, ging ich nach hinten und durch die Tür. Beale lümmelte entspannt hinter seinem Schreibtisch, hatte die Füße auf die Tischplatte gelegt, hielt in der einen Hand eine Zigarette und in der anderen eine Flasche Ale-8-One, ein regionales Erfrischungsgetränk, das sich in Eastern Kentucky großer Beliebtheit erfreute. Mit Ausnahme von einem Hustler, der halb unter einer Zeitung hervorschaute, war Beales Arbeitsplatz leer. Seine rotgeäderten Augen deuteten darauf hin, dass er die Limonade mit etwas Alkohol aufgepeppt hatte.
»Sie sind nicht oben in Augusta, Sheriff?«, wunderte ich mich.
»Ist nicht meine Show, Ryder. Alles, was ich da tun kann, kann das FBI auch.«
»Haben Sie William Taithering nicht gekannt? Immerhin sind Sie im selben Alter und stammen aus demselben County.«
»Während der Schulzeit bin ich ihm manchmal über den Weg gelaufen. Er war einer von diesen verschrobenen Typen, die aussahen, als würden sie aus den Latschen kippen, wenn man ihnen einen kleinen Klaps verpasst. Aber man weiß ja nie, aus wem mal ein Serienmörder wird, nicht?«
»Denkt Agent Krenkler in diesen Bahnen? Hält sie ihn für den Mörder?«
»Sie etwa nicht?«
Ich zuckte mit den Achseln, denn ich verspürte nicht die geringste Lust mit jemandem über Psychologie zu philosophieren, der das Wort nicht mal richtig buchstabieren konnte. »Was ich denke, ist unwichtig. Wie es aussieht, hat das FBI – im Gegensatz zu Cherry – einen Durchbruch erzielt. Ist doch super, dass hier wieder Frieden und Ruhe herrscht.«
In dem Moment dämmerte Beale, dass mein Kommen einen Grund haben musste.
»Was führt Sie her, Ryder?«
Ich hielt einen Stapel Kopien hoch. »Mein Hund ist verschwunden, und ich hatte gehofft, Sie könnten die hier an ihre Streifenpolizisten verteilen und sie bitten, nach ihm Ausschau zu halten.«
Beale zog an seiner Zigarette und winkte ab. »Wir haben hier Wichtigeres zu tun, als nach einem entlaufenen Kläffer zu suchen, Ryder.«
»Ich habe eine Belohnung von fünfhundert Dollar ausgesetzt, Sheriff.«
Da machte Beale große Augen, neigte sich vor und bat mich mit einer Handbewegung darum, ihm die Poster zu geben.
*
Von Beales Revier fuhr ich schnurstracks zu Cherrys Dienststelle. Im Gegensatz zu Beales Schreibtisch war ihrer mit Aktenordnern, Schnellheftern und Fotos übersät.
»Ich habe die hier angefertigt«, meinte ich und reichte ihr ein Dutzend Kopien. »Falls es keine Umstände macht, könnten Sie sie …«
»Ich werde sie verteilen. Geben Sie mir den ganzen Stapel, ich kümmere mich darum.«
Dankbar nahm ich ihr Angebot an. Als ich einen Blick auf das Durcheinander auf ihrem Schreibtisch warf, sah ich, dass sie Fotos von Burton, Powers und dem Mann in der Hütte studiert und sich handschriftliche Notizen gemacht hatte.
»Sie zerbrechen sich immer noch den Kopf?«, fragte ich.
Sie legte die Stirn in Falten und warf ihren Stift auf den Notizblock. »Ich habe nachgedacht …«
»Und?«
»Was, wenn Taithering tatsächlich der Mörder ist. Oder – besser gesagt – war. Was, wenn Charpentier mit seinen Symbolen und Metaphern gewaltig danebengelegen hat und Taithering ein zweiter Manson, Gein oder …«
»Sie denken wohl eher an jemanden wie den Zodiac-Killer«, meinte ich und war, ehe ich mich versah, wieder voll im Arbeitsmodus. »Der Zodiac-Killer hat ebenfalls kryptische Botschaften hinterlassen.« Ich trat vor die Wandtafel, griff nach einem roten Filzstift und schrieb die rätselhafte Geocaching-Nachricht auf die leere weiße Fläche.
= (8) =
»Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem hier und Taithering?«, fragte ich sie.
»Das weiß ich nicht … noch nicht.«
Cherry erhob sich, stellte sich vor die Wandtafel und wischte mein Gekritzel weg, als könnte sie es nicht ertragen. Dann hievte sie sich auf den kleinen Besprechungstisch, zog die Beine hoch, setzte sich im Schneidersitz hin und fixierte mich mit dem rechten Auge.
»Ist Ihnen je in den Sinn gekommen, dass wir uns getäuscht haben, dass Charpentier sich geirrt hat … dass Taithering doch der Killer ist?«
»Ja«, räumte ich ein.
Sie deutete mit dem Kinn auf die Unterlagen auf ihrem Arbeitsplatz. »Ich gehe gerade noch mal die Akte von Tandee Powers und Burton durch. Der Mann mit dem
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