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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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»Ehrlich gesagt, Ryder, der Typ hat mehr Verstand in seinem kleinen Finger als ich in meinem kompletten Oberstübchen. Und er begreift instinktiv, was sich in einem Menschen abspielt. Egal was ich anstelle, was er kann, kriege ich nie und nimmer hin …« Sie brach ab und konzentrierte sich aufs Fahren.
    »Ich höre da ganz laut und deutlich ein aber «, bohrte ich nach.
    »Je länger ich über den Doc nachdenke, desto schräger finde ich ihn. Es kommt mir fast so vor, als begreife er einfach zu gut, wie Menschen ticken … rede ich Unsinn? Die Art und Weise, wie er mich anschaut, macht mich zappelig. Als würde er meine Gedanken analysieren, bevor sie mir überhaupt in den Sinn kommen. Wir wenden uns dann an ihn, wenn wir auf etwas stoßen, das von einem Seelenklempner interpretiert werden muss, okay?«
    Super Vorwarnsystem, Cherry, dachte ich, legte den Sicherheitsgurt an und stellte mich innerlich auf die nächste Höllenfahrt ein.
    Bei unserer Ankunft hatte Beale schon eine Straßensperre eingerichtet und Caudill und einen Kollegen dazu verdonnert, die aufgestellten Sägeböcke zu bewachen. Caudill winkte uns durch und kümmerte sich dann um ein Wohnmobil, das uns auf die Rock Bridge Road folgen wollte. Zu gern hätte ich gewusst, mit was für einer Story er die Touristen abspeiste.
    Bei uns treibt sich ein Irrer herum, der wahllos Leute abschlachtet. Vielleicht fahren Sie lieber nach Yosemite .
    Wir fuhren weiter, bis wir auf McCoy stießen, der gerade seinen Rucksack aus dem Kofferraum holte. Beale marschierte auf und ab, klopfte immer wieder auf sein Pistolenhalfter und versuchte, wichtig zu wirken. Als er mich erblickte, verfinsterte sich sein Blick, aber es gelang ihm, sich eine gehässige Bemerkung zu verkneifen.
    »Herrje, Cherry, wo haben Sie denn gesteckt?«, bellte er. »Ich hab’ nicht den ganzen Tag Zeit.«
    »Lassen Sie mich vorausgehen, Sheriff«, bat McCoy und legte seinen Rucksack an. »Es gibt da ein paar Dinge, auf die ich achten muss.«
    »Ach ja? Auf was denn?«
    »Spinnen.«
    Beale schüttelte verständnislos den Kopf und heftete sich an McCoys Fersen. Cherry und ich bildeten die Nachhut. Wir stiegen Hunderte Stein- und Holzstufen ins Tal hinunter. Unten angekommen, hielten wir im Laufschritt auf den Ort zu, auf den die neuen Koordinaten verwiesen. Etwa alle hundert Meter blieb McCoy stehen und spähte ins Dickicht, das den Pfad säumte.
    »Sind gleich am Ziel«, rief er, das Navigationsgerät fest im Blick, während wir am Swift Camp Creek und an den Creation Falls entlangrannten. »Die Koordinaten verweisen auf den Rock Ridge.«
    Wir erhöhten das Lauftempo. Der schwer schnaufende und ächzende Beale fiel immer weiter zurück. Nun musste er dafür bezahlen, dass er morgens immer nur Eier und Speck verdrückte.
    »Ach, du liebe Zeit«, hörte ich McCoy sagen.
    Rock Bridge befand sich am anderen Ende einer Miniaturebene, die jahreszeitlich bedingten Überschwemmungen ausgesetzt war. Der schätzungsweise vier Meter hohe Steinbogen spannte sich über den träge dahinfließenden grünen Wasserlauf.
    Zeke Tanners nackter Leichnam baumelte kopfüber zwischen Bogen und Fluss. Sein Anblick wirkte wie ein zufälliger Schnappschuss von jemandem, der im Begriff war, ins Wasser zu springen. Als Wind aufkam und der Tote sich drehte, wurden mehrere Tätowierungen sichtbar, die seinen Rumpf vom Schambein bis zum Sternum überzogen und an schwarze Blitze erinnerten.
    Die Szene ließ mich abrupt innehalten. Cherry, die ein paar Meter vor mir stehen geblieben war, legte vor Schreck die Hand auf den Mund.
    »Was sind das für Tattoos?«, wollte ich wissen.
    Auf meine Frage hin drehte Cherry sich um. Ihr Gesicht war aschfahl. »Das sind keine Tätowierungen, Ryder, sondern Stiche.«
    *
    Am späten Vormittag trafen sich Harry Nautilus und Conner Sandhill mit Sheriff Ellis vor der Dairy Queen in Westalabama, stiegen in Ellis’ nicht gekennzeichneten Dienstwagen und starrten sehnsüchtig auf die im Fenster des Restaurants ausgehängte Speisekarte mit den kalorienreichen Köstlichkeiten. »Eva hat Adam nicht mit einem Apfel verführt«, konstatierte Nautilus. »Sie hat ihn mit einem Bananensplit geködert.«
    Der knapp zwei Meter große, dreihundert Pfund schwere Ellis klopfte auf seinen über den Gürtel hervorquellenden Bauch. »Mit Verführung kenne ich mich aus.«
    »Jetzt erzählen Sie mir bitte noch mal, weshalb wir hier sind«, bat Conner Sandhill und zwirbelte seinen dicken schwarzen Schnurrbart.

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