Krank (German Edition)
Bestattungsinstitut ausspionierte, aus dem Tanners Leichnam entwendet worden war.
»Und da war auch ein großes Wohnmobil, das dort etwa zehn Minuten lang geparkt hat. Helle Farbe. Hinten auf dem Ständer waren Fahrräder, ein Grill und noch anderer Krimskrams.«
Ich fragte Williams, ob ich mich auf dem Campingplatz ein bisschen umschauen dürfe, schlenderte von einem Stellplatz zum nächsten, begutachtete die blitzblanken Fahrzeuge, vor denen Familien saßen, und ein paar verlassene Wohnmobile, deren Besitzer gerade einen Ausflug machten, wanderten oder mit dem Kanu den Fluss hinunterfuhren.
Auf der Rückfahrt war ich mir sicher: Nirgends konnte man sich besser verstecken als in einem Wohnmobil. Ich kam an einem anderen Campingplatz vorbei und beschloss, mich dort ebenfalls umzusehen. Und am Ende legte ich sogar noch einen dritten Zwischenstopp ein und besichtigte in der Nähe von Frenchburg den im Nordwesten der Schlucht gelegenen Haunted Hollow Campground, obwohl die Morde und ein Großteil der Ermittlungen östlich der Schlucht stattgefunden hatten.
Ich parkte neben dem Eingang und marschierte an die zwanzig Stellplätze ab. Der baumbestandene Campingplatz lag im hinteren Teil eines Talkessels mit nahezu undurchdringlicher Vegetation. Am Gelände lief ein kleiner Bach vorbei. Schwer vorstellbar, dass hier ein Mörder übernachtete und seinen verabscheuungswürdigen Gedanken nachhing.
Ich prägte mir jedes Wohnmobil ein, merkte mir die Besitzer. Badesachen waren zum Trocknen an Leinen aufgehängt. Da es schon dämmerte und langsam kühler wurde, standen die Türen sperrangelweit offen. Am Ende des Weges parkte ein riesiges, cremefarbenes Exemplar mit mehreren Fahrrädern für Erwachsene und Kinder. Auf dem Dach waren zwei kleine Kajaks und ein Schlauchboot festgezurrt, aus einem der hinteren Fenster ragten Angelruten. Die Jalousien waren heruntergelassen, die Besitzer offenbar ausgeflogen.
Ich ging um den Wagen herum. Die Stoßstange war mit zahllosen Aufklebern zugepflastert: Smoky Mountains, Everglades National Park, The Ozarks und so weiter und so fort. Da die meisten Aufkleber neu wirkten, fragte ich mich, ob der oder die Besitzer erst vor kurzem in Rente gegangen waren.
Das Wohnmobil hatte eine Anhängerkupplung und ein Gestell, auf dem eine Motocross-Maschine von Kawasaki stand. Um das Motorrad herunterzuholen, brauchte es mehrere Personen. Oder eine, die sehr kräftig war.
Als ich mich umdrehte, registrierte ich aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung am hinteren Fenster. Hatte sich der Vorhang bewegt? Oder jemand dahinter? Ich wartete kurz, konnte jedoch nichts erkennen, und dachte dann an den berühmten Aufkleberspruch: Während der Fahrt bitte nicht klopfen!
In der Hoffnung, dass meine Neugier niemanden gestört hatte, kehrte ich zu meinem Wagen zurück, warf immer wieder einen Blick über die Schulter zu dem Wohnmobil und überlegte, ob meine Phantasie mit mir durchging.
Auf der Fahrt zu meiner Hütte fühlte ich mich mutterseelenallein mit meinen düsteren Gedanken, und von plötzlicher Unruhe überfallen, folgte ich eine Weile lang ziellos dem Verlauf der Straße. Vielleicht brauchte Mix-up nur noch ein bisschen Zeit. Irgendwann würde er bestimmt wieder auftauchen, über seinen Fressnapf herfallen und so tun, als wäre nichts passiert.
Die Dämmerung war mittlerweile weit fortgeschritten, und hinter mir tauchten Scheinwerfer auf, die sich kurze Zeit später in der Ferne verloren. Als sich die Nacht über die Täler legte, kurbelte ich die Fenster herunter und hielt mich Richtung Westen. Auf einem geraden Straßenabschnitt blitzte im Rückspiegel erneut Scheinwerferlicht auf. Das dazugehörige Fahrzeug näherte sich schnell. Zu meiner Linken entdeckte ich einen Forstweg und fuhr von der Hauptstraße, um eine kurze Pause einzulegen, ehe ich zu meiner Hütte zurückkehrte.
Als ich ausstieg und mich streckte, donnerte es in den Bergen. Die Nachrichten hatten ein Gewitter angekündigt, doch noch war es ein gutes Stück entfernt, und der Mond schien hell genug, um in der Dunkelheit den Pfad zu erkennen, auf dem ich haltgemacht hatte.
Ich entschied mich für einen Spaziergang und war kaum ein paar Schritte weit gekommen, als ich in ein Spinnennetz lief. Während ich die dünnen Fäden wegstrich, musste ich an McCoys These von einem zweiten Fahrzeug auf dem Rock Bridge Trail denken.
Ich hatte eine halbe Meile zurückgelegt, als ich hörte, wie irgendwo zu meiner Rechten eine Autotür zufiel.
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