Krank (German Edition)
Patch Campground. Hier streunt ein herrenloser Hund herum. Er hat große Ähnlichkeit mit der Beschreibung auf einem Poster, das einer von den Polizisten aus Woslee bei mir aufgehängt hat.«
»Ist der Hund groß?«, fragte ich. »Und sieht er irgendwie seltsam aus?«
»Ja, schon, auch wenn jeder etwas anderes unter seltsam versteht. Ist jedenfalls ein stattlicher, freundlicher Bursche.«
Ich notierte die Adresse, die auf der anderen Seite der Schlucht lag. Inzwischen hatte ich schon mehrere Anrufe erhalten und den betreffenden Anrufer so lange mit Fragen gelöchert, bis klar war, dass es sich bei dem Tier nicht um meinen vierbeinigen Gefährten handelte, aber dieser Anruf klang tatsächlich vielversprechend.
»Ich hab’s gehört«, sagte Cherry, als ich das Handy wieder in die Hosentasche steckte. »Gehen Sie nur, Carson. Hoffentlich ist es Mix-up. Falls nicht, würde ich trotzdem nicht alle Hoffnung fahrenlassen, ja?«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und streifte meinen Mund ganz kurz mit ihren Lippen. Der Schwindel, den ihr Kuss hervorrief, war weitaus stärker als der des Cognacs.
Kapitel 34
Die Fahrt zum Pumpkin Patch Campground dauerte nur zwanzig Minuten. Ich kam an einem Schild vorbei, das wie ein Kürbis aussah und die Vorzüge des Campingplatzes – Grillplätze und Abwasserentsorgung – anpries. Mr. Williams saß zeitungslesend auf einem Klappstuhl neben einem kleinen Holzkiosk, wo sich die Gäste anmeldeten. Den älteren Herrn mit dem kürbisfarbenen Strohhut und den Bermudashorts schätzte ich auf Mitte, Ende siebzig.
»Tut mir leid«, begrüßte mich Williams kleinlaut. »Der Hund gehörte einem Camper. Ich hatte bei der Anmeldung keine Notiz von ihm genommen.«
Er deutete auf ein frisch geschrubbtes Wohnmobil auf der anderen Seite des kleinen Campingplatzes. Die Familie – Mann, Frau und drei kleine Kinder – waren noch dabei, sich hier einzurichten. Der Mann stand auf dem Dach und reichte seiner Gemahlin Liegestühle nach unten, während ein riesiger, struppiger Hund, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Mix-up besaß, der Frau um die Beine lief.
Williams war ein kommunikativer Typ und da er meinetwegen einen gewissen Aufwand betrieben hatte, leistete ich ihm ein paar Minuten Gesellschaft, um mit ihm übers Wetter und seine Arbeit zu plaudern.
»Wir haben hier zwanzig Stellplätze für Wohnmobile«, verkündete er stolz. »Mit allem Drum und Dran. Und zudem noch ein Dutzend Zeltplätze.«
»Dann haben Sie bestimmt ganz schön zu tun.«
»Kann man so sagen. Die Leute schneien hier rein, bleiben ein, zwei Tage und fahren weiter. Ist ja auch ziemlich bequem, wenn man eine Kiste mit dem Komfort eines Hauses fährt.«
Ich musterte ein riesiges Wohnmobil, das erst vor kurzem aufgetaucht war und an dessen Anhängerkupplung ein kleiner Mazda hing.
»Nehmen viele Leute noch ein extra Auto mit?«, fragte ich nur so zum Zeitvertreib.
»Klar. Dann brauchen sie nicht so viel Benzin, um die nähere Umgebung zu erkunden. Wenn man ein großes Wohnmobil mit einem Haus vergleicht, dann ist der kleine Wagen die Garage.«
»Gibt es hier in der Gegend viele Campingplätze?«
»Kommt drauf an, was Sie unter viel verstehen. Fünf oder sechs liegen in der Nähe der Schlucht, aber in einem Umkreis von dreißig Meilen finden Sie noch ein paar mehr. Und ein paar Hausbesitzer lassen den einen oder anderen Wohnmobilbesitzer auf ihrem Grundstück nächtigen, um sich etwas dazu zu verdienen.«
Ich ließ den Blick über die Wohnmobile schweifen. Drei davon waren schwer beladen. In dem Augenblick dämmerte mir, dass man in diesen Dingern – vor allem wenn sie mit Fahrrädern, Kanus und Angeln bestückt waren – überhaupt nicht auffiel. Darüber hinaus war man mobil und konnte von einem Campingplatz zum anderen fahren, ohne dass irgendjemand groß Notiz von einem nahm. In so einem Gefährt ließen sich in aller Ruhe Pläne schmieden, man konnte sich umziehen, mitten in der Nacht irgendwo parken, einen Leichnam aufschlitzen und ihn mit Pferdemist ausstopfen. Und es gab einen weiteren Pluspunkt: Wohnmobile hatten auf der Straße das gleiche Image wie Delphine. Man war ihnen gegenüber positiv eingestellt und glaubte, dass freundliche Familien und pensionierte Paare darin saßen. Geistesgestörte Mörder fuhren verrostete Lieferwagen und dunkle, tiefer gelegte Limousinen mit verdunkelten Scheiben.
Ich musste an Gable Paltrys Worte denken, den verwahrlosten, alten Spanner, der den Parkplatz hinter dem
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