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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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Der Platz, an dem ich geparkt hatte, lag hinter mir. Vermutlich ein zweiter Forstweg, den Teenager nutzten, um heimlich Bier zu trinken oder zu knutschen.
    Zwei Minuten später trat jemand keine hundert Meter weiter auf einen Ast. Ein paar Sekunden später hörte ich kurz hintereinander zwei Schritte.
    Ich überlegte, ob ich Hallo rufen sollte, besann mich dann aber eines Besseren. Wenn da draußen jemand herumlief und ich dessen Schritte hörte, hörte er sicher auch meine. Es erschien mir merkwürdig, dass zwei Menschen zur gleichen Zeit entschieden hatten, sich in diesem unermesslich großen Waldgebiet ausgerechnet hier die Beine zu vertreten.
    Eine dicke Wolke schob sich vor den Mond und tauchte die Umgebung in undurchdringliche Dunkelheit. Als sie langsam weiterzog, fühlte ich mich vom nun gleißenden Mondlicht geblendet. Zu meiner Rechten ratschte es, als würde jemand ein Stück Klebestreifen von einer Rolle abreißen.
    Ich lauschte in den Wald, als keine zwei Meter neben mir eine Kugel in einen Baumstamm einschlug. Mein Herz hämmerte wild, und ich warf mich zu Boden.
    Zuerst war es still, dann ertönte eine Stimme.
    »Hierher, Coppie, Coppie, Coppie«, flötete sie in heiseren, hohen Tönen, als riefe jemand nach seinem Hund. Ein zweiter Schuss fiel. Die Kugel sauste an meinem Ohr vorbei.
    Die Stimme war unverkennbar. Zweimal hatte ich sie schon gehört, einmal während eines kurzen Gefängnisverhörs und dann noch mal anlässlich einer Hypnose, die fürchterlich aus dem Ruder gelaufen war. Bobby Lee Crayline.
    Bobby Lee Crayline ?
    Einen grauenvollen Moment lang glaubte ich an schwarze Magie, dass ich Bobby Lee wie einen Dämonen aus der Hölle befreit hatte, indem ich über ihn sprach und ihm – was seine Flucht betraf – auf die Schliche gekommen war.
    In der Hoffnung, meine überbordende Phantasie in den Griff zu kriegen, atmete ich mehrmals tief durch, zog den Kopf ein und rannte los. Sich bei Mondlicht in einen Wald zu stürzen, war wahnsinnig genug, bei durchziehenden Wolken konnten nur Stoßgebete helfen. Ich stolperte über Wurzeln, Ranken und Steine. Ich trat auf Äste, die so laut wie Chinaböller krachten.
    Was hat Crayline hier zu suchen ?, fragte ich mich immer wieder. Wieso hat er es auf mich abgesehen?
    Als der Mond hinter einer Wolke zum Vorschein kam, fühlte ich mich wie im Scheinwerferlicht. Crayline feuerte. Er benutzte ein Gewehr, das seltsam dumpf klang.
    »Hierher, Coppie, Coppie, Coppie …«
    Finsternis senkte sich über den Wald. Ich duckte mich und wartete, bis der Mond wieder auftauchte und ich den Weg erkennen konnte. Mit eingezogenem Kopf lief ich weiter den mal dunklen, mal hellen Pfad hinunter. Ich hörte, wie Crayline die Verfolgung aufnahm. Meine Waffe lag im Schrank in meiner Hütte. Schweiß tropfte von meiner Stirn, und mein Herz klopfte immer schneller.
    Als abermals Mondlicht durch die Wolken fiel, sah ich, dass der Pfad vor Rhododendronbüschen und mehreren hohen Felsen endete, deren Spitzen ich im Dunkel der Nacht nicht erkennen konnte. Wie es aussah, hatte ich das Ende des Talkessels erreicht und steckte nun fest.
    Hinter mir ertönte Gelächter. Wie weit weg war er? Dreißig Meter? Weniger? Bobby Lee Crayline ließ Vorsicht walten und hastete von einem Baum zum nächsten. Im Schutz der Kiefern und Hemlocktannen musste er nur einen Fuß vor den anderen setzen, bis er zu mir stieß.
    Und ich? Ich saß in der Falle, weit und breit kein Fluchtweg in Sicht.
    Hoch mit dir, riet mir eine innere Stimme. Wenn du von hier verschwinden willst, dann musst du da hoch .

Kapitel 35
    Ich reckte den Kopf, als der Mond durch eine dünne Wolke blitzte. Ein ganzes Stück über mir gab es im Sandstein ein hueco  – Spanisch für Loch. Diese durch Erosion entstandenen Höhlen sind in Sandsteinfelswänden nicht ungewöhnlich.
    Ich hörte, wie in der Finsternis hinter mir ein Ast brach. Crayline rückte beharrlich näher. Dann rührte er sich plötzlich nicht mehr, sondern verharrte in Konzentration. Er bereitet sich aufs Töten vor.
    Ich konzentrierte mich wieder auf die Felswand. Die ersten drei Meter konnte ich im Schutz der Rhododendren erklimmen, doch ab dann würde ich den Blicken meines Verfolgers ausgesetzt sein. Der Schweiß brannte in meinen Augen. Ich versteckte meine Schuhe unter den Blättern, setzte zum Sprung an und streckte die Hand nach einem kleinen Felsvorsprung aus. Ich griff daneben und landete auf meinem Allerwertesten. Meine Kleidung behinderte mich, und

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