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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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so zog ich mich bis auf die Unterhose aus und legte meine Sachen zu den Schuhen.
    Ich wagte einen zweiten Versuch, sprang hoch und kriegte den Vorsprung diesmal zu fassen. Mühsam zog ich mich nach oben, während ich Halt für meine Füße suchte.
    Es gab einen Knall, drei Meter neben mir prallte Blei auf den Sandstein. Crayline, der nicht wusste, wo ich steckte, feuerte blind drauflos. Als die Wolken weiterzogen, blendete mich das gleißend helle Licht zwanzig Sekunden lang. Ich machte eine vertikale Spalte aus, schob die Hand hinein, kletterte drei Meter weiter hinauf und spürte, wie Blätter meinen Rücken streiften. Nun befand ich mich über dem Rhododendron und war somit leichte Beute für Crayline.
    Kaum verschwand der Mond wieder hinter einer Wolke, erkannte ich die Aussichtslosigkeit meines Unterfangens. Die Felsvorsprünge und Nischen waren nur bei Mondschein sehen – genau dann, wenn ich für meinen Verfolger auf dem Präsentierteller lag.
    Dreißig Zentimeter über meinem Kopf fand ich eine Möglichkeit, mich festzuhalten. Ich bewegte die Füße, drückte sie in einen Spalt. Dann nahm ich meinen rechten Fuß nach oben und setzte ihn auf den Vorsprung, an dem ich mich festhielt. Nun konnte ich mich mit einer Hand langsam nach oben tasten. Ich presste mein Gesicht an die Felswand und fluchte innerlich. Plötzlich war mein Atem mein Feind, denn jedes Mal, wenn ich Luft holte, blähte sich mein Brustkorb auf und schob mich ein, zwei Zentimeter nach hinten, was sich negativ auf mein Gleichgewicht auswirkte. Ich hörte, wie Crayline unter mir von einem Baum zum nächsten schlich.
    Zwei Meter über mir entdeckte ich einen weiteren Grat und noch ein Stück höher einen Vorsprung von der Größe einer Zigarettenschachtel. Da ich fast am Ende meiner Kräfte war, zweifelte ich daran, diese Distanz überwinden zu können.
    Just in diesem Augenblick schob sich eine fette Wolke vor den Mond und tauchte alles in Dunkelheit. Zieh weiter, flehte ich stumm. Ich brauche Licht .
    Wie erstarrt krallte ich mich am Sandstein fest und spürte deutlich, wie mein Herz gegen die Brust schlug. Und dann fiel mir der Rat ein, den Gary, mein Kletterlehrer, mir immer wieder eingebläut hatte: Mach die Bewegung zuerst im Geist, bevor du sie wirklich ausführst . Gary war ein großer Fan von Visualisierung. Vor meinem geistigen Auge malte ich mir die Oberfläche der Felswand aus, die kleinen Zungen, die ich erwischen musste, das Gefühl, das mit der Bewegung einherging.
    Ich hechtete nach oben wie eine übermontierte Feder und streckte dabei die Hände nach etwas aus, das ich nur im Geist gesehen hatte, kriegte nichts zu fassen und dann …
    Der Zeige- und Mittelfinger meiner rechten Hand landeten auf einer zwei Zentimeter breiten Felszunge, der große Zeh meines linken Fußes berührte einen kleinen Vorsprung, und wie ein Klammeraffe versuchte ich, mein Gleichgewicht zu finden.
    Crayline feuerte abermals eine Kugel ab, die glücklicherweise nur den Rhododendron traf. Rechts von mir war auf Taillenhöhe eine kleine Ausbuchtung, auf die ich meinen Fuß stellen konnte. Meine müden Finger zitterten, in meinen Muskeln sammelte sich zu viel Milchsäure an, meine Kraft schwand rasend schnell. Ich vergewisserte mich noch einmal, wo die Ausbuchtung war, hob mein Bein im Zeitlupentempo an … Visualisierte die nächste Bewegung, als der Mond wieder hinter den Wolken verschwand. Ich konzentrierte mich auf die bevorstehende Aufgabe und … Geschafft! Ich musste alle Energie aufwenden, um mich nach oben zu ziehen. Der Schweiß brannte in meinen Augen.
    »Hierher, Coppie, Coppie, Coppie …«
    Mit seiner Stichelei versuchte Crayline, mich zu einer Dummheit zu verleiten. Dass er mich immer noch dort unten vermutete, war ein Vorteil, den ich jetzt nicht verspielen durfte. Nur noch ein paar Schritte trennten ihn von der Felswand, an der ich hing. Ich probierte, ein paar Zentimeter weiter nach oben zu gelangen, aber dann zerbröselte die Ausbuchtung unter meinem Fuß. Mein Körper neigte sich gefährlich zu Seite … ich fiel … fand keinen Halt … schlug gegen den harten Stein … fiel tiefer … Heilige Scheiße, jetzt bin ich geliefert  …
    Meine Finger landeten auf etwas Hartem, das an der Felswand befestigt war. Ein Karabiner. Instinktiv krallte ich mich daran fest. Schmerz zerfetzte die Nerven in meinen Fingern, doch ich ließ nicht los.
    Der Karabiner hing an einem Haken, einem verdammten HAKEN !
    Ich hatte eine reguläre

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