Kraut und Rübchen - Landkrimi
den die ganze Sache auf mich ausübte, auch wenn die Ungerechtigkeit meiner Vorteilsnahme durch die intime Bekanntschaft zu ihm immer wieder mahnend an meinem Gewissen kratzte. Wenn böse Zungen die Gelegenheit gehabt hätten zu behaupten, ich würde mich hochschlafen, hätte ich sie noch nicht einmal Lügen strafen können. Obwohl bei uns beiden natürlich alles ganz anders war. Es war echt, wahr und gut. An einem Punkt unseres Zusammenseins, kurz nachdem ich von meinem Erbe erfahren hatte, erwogen wir sogar halbherzig, ins Licht der Öffentlichkeit zu treten und uns den Anfeindungen der Kollegen auszusetzen.
Dr. Habschicks Briefumschlag mit den Informationen zum Hof, den er mir nach unserem Telefonat zugeschickt hatte, ruhte während dieser Zeit unter einem stetig wachsenden Stapel Ablagepapiere und geriet mehr und mehr in Vergessenheit. Seine Anrufe auf dem Anrufbeantworter löschte ich, ohne sie mir anzuhören.
Björn schlug vor, alles zu verkaufen. Er könne gern seine Kontakte spielen lassen.
Ich selbst zog es vor zu warten. Worauf, wusste ich nicht. Ich war eine Meisterin im Aufschieben von Dingen, die mir Entscheidungen abverlangt hätten, die ich nicht treffen wollte. An einem Abend servierte Björn mir neben einem Teller Spaghetti auch die Idee einer gemeinsamen Wohnung. Das Vorhaben scheiterte schließlich an der Existenz meines Katers Herrn Hoppenstedt. Björn ertrug ihn nicht eine Sekunde ohne gerötete Augen, heftige Niesattacken und Hustenanfälle. Ich hingegen ertrug nicht eine Sekunde lang die Vorstellung, Herrn Hoppenstedt wegzugeben. Einen Kater, der Stöckchen apportierten, Türen öffnen und den Lichtschalter betätigen konnte, fand man nicht alle Tage. Außerdem liebte ich Herrn Hoppenstedt vorbehaltlos, und er liebte mich ebenso.
Ob das auch für mich und Björn galt, hatte ich bisher nicht ernsthaft hinterfragt. Als ich es dann tat, fiel die Antwort eindeutig aus.
Ich kannte Björns Schwächen, seinen Egoismus und seine Rücksichtslosigkeit. Bisher hatte ich diese Facetten seiner Persönlichkeit nur zur Kenntnis, aber ihm nicht übel genommen. Mit einem Mal störten mich die Schatten, die er warf. Sie waren deutlich länger, als ich gutheißen konnte. Selbst aus meiner Perspektive als Nutznießerin stieß mir seine Unterteilung der Redaktion in »Macher« und »Opfer« sauer auf. Ebenso die charmanten Frotzeleien, die sich bei genauerer Betrachtung als unter dem Deckmäntelchen des Sarkasmus versteckte Häme entpuppten.
Der Spiegel meiner Verliebtheitshormone sank rapide und hinterließ nichts als einen schalen Nachgeschmack.
Björn brachte kein Verständnis für meinen plötzlichen Sinneswandel auf und verabschiedete sich aus dem, was einmal eine Beziehung zwischen uns hätte werden können. Er sagte es zwar nicht direkt, aber ich bekam sein Beleidigtsein darüber, letztlich im Gunstvergleich gegen einen schwarzen Kater verloren zu haben, auf allen Ebenen zu spüren. Die interessanten Artikel, deren Recherchetouren in hübsche Wellness-Hotels, angesagte Landgasthöfe oder ins ländliche Ausland führten, erhielten nun die anderen. Ich wechselte übergangslos von den Machern zu den Opfern, weil er es so entschied. Meine Aufgabe bestand ab sofort in der Gestaltung der »Landtipps«, einer Mischung aus bezahlten Produktanzeigen, kleinen Rezepten und jahreszeitlich angepassten Gedichten. Eine Arbeit, die ausschließlich am Schreibtisch stattfand und mich von Tag zu Tag mehr anödete. Jeglicher Versuch, mit Björn auf einer sachlichen Ebene zu kommunizieren, scheiterte von vorneherein an seiner Weigerung, mich als Kollegin und nicht als die Frau, die ihn von ihrer Bettkante gestoßen hatte, zu sehen.
Als ich zum sechsten Mal ein Hausmittelchen gegen raue Winterhaut zusammenstellen sollte, reichte es mir. Ich räumte mein Arbeitszimmer auf, sortierte sämtliche Ablagestapel und rief Herrn Dr. Habschick an.
Und hier war ich nun.
Giersch , Aegopodium podagraria – gehört zur Familie der Doldenblütler. Seine Blätter erinnern in ihrer Form an Ziegenfüße. Heute gilt der Giersch als Unkraut, die Volksmedizin kennt ihn jedoch seit Jahrhunderten als wirksames Mittel zur Schmerzlinderung bei Rheuma und Gicht.
Zwei
Ich fror. Zu Hause in der Stadt hatte sich der Sommer bereits mehr Terrain erobert. Hier kämpfte er in manchen Nächten noch mit dem Bodenfrost und scherte sich nicht um die Eisheiligen.
Der kühle Wind hatte sich in meine Schultern verbissen, kaum dass ich aus dem Wagen
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