Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie (German Edition)
kleinen Jungen, der im Landhaus seiner Großmutter durch ein Gemälde in eine Fantasiewelt eintritt, deutlich am Manga-Stil geschult, aber auch an hochwertiger Videospiel-Ästhetik. Vor allem aber ist Lieskes Web-Comic kostenlos, und soll es auch bleiben. Finanzieren will sich Lieske durch eine Mischung aus Spenden, Sponsoring und Direktvertrieb von Fan-Artikeln.
„Comics neu erfinden“ („Reinventing Comics“) lautet der legendäre Titel eines Buches von US-Comic-Papst Scott McCloud, Untertitel: „Wie Vorstellungskraft und Technik eine Kunstform erneuern“. Die Technik, um die es McCloud dabei geht, ist das Internet. Eine der Ideen, die McCloud in seinem 2001 erschienenen Bestseller vorbrachte, war die „unendliche Leinwand“ („infinite canvas“). Nicht umsonst stieß Daniel Lieskes Wormworld-Saga denn auch auf einhelliges Lob beim großen Meister. In seinem Blog schrieb McCloud nach dem Start des deutschen Webcomics: „Besonders beindruckt mich Lieskes Raumgefühl, das sehr seltene Erlebnis, in eine umfassend ausgeführte neue Welt einzutauchen. Sehr geschickt nutzt Lieske Establishing Shots, um die Übergänge zwischen den einzelnen Panels zu gestalten.“
Mit dem endlos scrollbaren Webcomic bewegt sich Lieske allerdings fern jeglichen Mainstreams. Die meisten Webcomics setzen nämlich auf das Seitenprinzip – pro Folge eine neue Web-Page. Dank WordPress-Plugins wie etwa Comic Press ist das Veröffentlichen von Comics im Internet rein technisch tatsächlich schon mit dem normalen Bloggen identisch. Das führt zu hohen Klickzahlen, und ist auch für die Platzierung von Werbebannern ideal.
Gerade bei den innovativen Autoren stößt das Umblättern allerdings auf Widerstände, es gilt als zu nah dran an den Zwängen der Gutenberg-Galaxis. Zuletzt hatte sich etwa der Journalist und Sachbuchautor Jürgen Neffe mit seiner endlos durchlaufenden „Libroid“-App auf die Seite der „Holy Scrollers“ geschlagen. Ähnlich denkt auch Lieske – dem Berliner Tagesspiegel gegenüber erklärte der Web-Comic-Zeichner: „Die Navigation fühlt sich einfach natürlich an. Man kommt auf eine Webseite und es ist völlig natürlich, runterzuscrollen. Du musst es niemandem erklären, es ist der natürlichste Reflex jedes Web-Users, der mehr sehen will.“
Finanzierung durch Spenden und Sponsoring
Da die bei Webcomics übliche Monetarisierung über eine Printfassung zunächst nicht geplant war, probierte Lieske andere Formen der Vermarktung aus. Spenden via Paypal, KachingleX oder Flattr trugen ebenso zur Monetarisierung bei wie das Sponsoring durch Anzeigenkunden. Anfang Januar 2011 ging zudem ein Webshop online, in dem man exklusive Digital-Prints aus der Feder des Wormworld-Saga-Zeichners erwerben kann. Um dieses Angebot auch Sammlern schmackhaft zu machen, sind alle Drucke mit Unterschrift und Stempel versehen. Aktualisiert wird die Wormworld-Saga nicht scheibchenweise, sondern Kapitel für Kapitel. Teil 2 erschien im Dezember 2011, Teil 3 im April 2012, Teil 4 im August 2012.
Das Interesse der Leser war von Anfang an riesig. Das erste Kapitel der Wormworld-Saga ging am 25.12.2010 online und hatte drei Wochen später bereits 150.000 Pageviews. Lieskes Gesamtkonzept scheint aufzugehen – durch die Wahl von Englisch als Webcomic-Sprache ist die Zahl der potentiellen Leser sehr groß, vor allem dürften sich auch Leser aus den USA und Großbritannien angezogen fühlen, Länder, in denen elektronische Comics schon stärker zum Teil der digitalen Alltagskultur geworden sind.
Das zeigt auch der Erfolg von Lieskes Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter, die Anfang April 2011 endete. Ziel war es dabei, Geld für eine Wormworld-App zu sammeln, die als Premium-Version des Webcomics gedacht ist. Während die Web-Version kostenlos bleiben wird, kann man via In-App-Shopping einzelne Kapitel wie auch Bonus-Inhalte käuflich erwerben. Im Vergleich zu Crowdfunding-Projekten in Deutschland war die Kickstarter-Kampagne geradezu ein Triumph: Lieske sammelte knapp 23.000 Dollar von mehr als 400 Unterstützern, das Projekt war fast 200 Prozent überzeichnet. Neben dem Start der App, deren iPad-Version bereits in Apples App-Store herunterzuladen ist, ermöglichte das Geld dem Schöpfer der Wormworld-Saga auch, die Arbeit am Webcomic vom Feierabend-Job zur Full-Time-Tätigkeit zu machen. Seit kurzem kann man Lieske übrigens auch auf ganz klassische Weise unterstützen: via Amazon ist Teil 1 der Wormworld-Saga zum Preis von 12 Euro
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