Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
Vom Netzwerk:
des Tumors, der Zielvolumina und der Risikoorgane in der Umgebung.
    Jetzt kommen die Physiker zum Zuge. Sie berechnen anhand des Computers eine möglichst optimale Kombination von Strahlungsenergien, Bestrahlungsfeldern, Feldkonfigurationen und Einstrahlwinkeln mit dem Ziel, den Tumor mit der verordneten Dosis möglichst gleichmäßig abzudecken und gleichzeitig die gesunden Gewebe der Nachbarschaft so wenig wie möglich zu belasten (vgl. Abb. 12, S. 339).
    Die Zeit der Strahlentherapie von der Stange war damit vorbei. Seit Einführung der CT-gestützten 3D-Bestrahlungsplanung in den neunziger Jahren ahnen die Radioonkologen, wie sich die Strahlung in einem individuellen Körper tatsächlich verteilt. Damit wurde eine Behandlung nicht nur planbarer und sicherer. Von den Unwägbarkeiten der althergebrachten Bestrahlungsplanung befreit, konnte auch versucht werden, die Grenzen der Belastbarkeit des gesunden Gewebes weiter als bisher auszureizen.

Skulpturen aus Licht
    Tumoren halten sich nicht an die Formensprache
der euklidischen Geometrie. Sie wachsen nicht nur zu einfachen geometrischen Körpern wie Kugeln, Ovoiden oder gar Quadern heran. Wie heimtückische kleine Gnome können sie sich zu bösartigen, grotesken Skulpturen mit Armen, Beinen, Zapfen, Tentakeln, Einkerbungen und Ausstülpungen entwickeln. Der ideale Bestrahlungsplan sollte diese kapriziösen topographischen Irrungen, Wirrungen und Windungen eines Tumors nachvollziehen können wie ein Bildhauer, der sein Wachsmodell mit einer dünnen Tonschicht überzieht, die schließlich zur Hohlform eines Bronzegusses werden soll.
    Es scheint kaum möglich, sich diesem Ideal mit Hilfe von Röntgenstrahlen auch nur annähern zu wollen. Röntgenstrahlen sind im Grunde nichts anderes als Licht. 73 Sie breiten sich im Raum aus wie Licht, nur dass sie von festen Körpern begrenzter Dichte kaum reflektiert werden. Ein energiereicher Röntgenstrahl durchdringt den menschlichen Körper fast wie der Lichtkegel einer Taschenlampe das nächtliche Dunkel eines Zimmers. Eine Blende aus entsprechend dickem Blei vermag ihm einen bestimmten Querschnitt zu verleihen, ähnlich wie sich mit einer Pappschablone das Taschenlampenlicht in Form eines Kreises, Sterns oder Herzens auf die Wand des Zimmers projizieren lässt. Einmal auf den Weg geschickt, lässt sich der Strahl aber nach der Einblendung auf seinem Weg mit menschlichen Mitteln weder krümmen, 74 verformen noch stoppen. Aus der Blickrichtung des Strahls betrachtet kann der Schattenriss eines Tumors in seinen zwei Dimensionen ohne große Schwierigkeiten nachgezeichnet werden. Der Wechsel in die dritte Dimension bereitet allerdings gewaltige Schwierigkeiten. Schneiden sich mehrere Strahlenkegel in einem Punkt, wie die Scheinwerfer, die den Conférencier ins sprichwörtliche Rampenlicht rücken, bildet der Überschneidungsbereich ein ziemlich plumpes räumliches Gebilde, das sich irgendwo zwischen den beiden Extremen Quader und Kugel bewegt. Die Außenkonturen komplizierter geometrischer Gebilde mit Ausstülpungen und Vertiefungen lassen sich durch Strahlung nicht ohne Weiteres nachzeichnen. Solche Gebilde in Gänze zu erfassen, bedeutete zwangsläufig, auch gesundes Gewebe mit hohen Dosen zu bestrahlen.
    Mit der Rechenkapazität moderner Computer
wurden die Strahlentherapeuten in den letzten zehn Jahren zu Bildhauern des Lichts. Ihr Meißel ist eine Technik, die unter dem sperrigen Namen intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) bekannt wurde. Dabei setzt ein Computer im virtuellen Körper des Patienten, den ihm ein speziell angefertigtes Computertomogramm liefert, oft über 100 einzelne Strahl-Segmente zusammen. Dabei entsteht eine Dosisskulptur, die der tatsächlichen Form des Tumors einigermaßen nahe kommt. Mit solchen Techniken gewinnen die Strahlentherapeuten weitere Handlungsspielräume, die genutzt werden können, um gesundes Gewebe zu schützen und die Risiken von Nebenwirkungen zu minimieren, oder aber um die Dosis im Tumor zu erhöhen und so hoffentlich mehr Patienten als bisher zu kurieren.
    Abbildung 14: Anpassung der räumlichen Verteilung der Bestrahlungsdosis an einen hochgradig irregulär geformten Tumor (rot/gelb) mit Hilfe der intensitäts-modulierten Strahlentherapie (IMRT). Diese Dosisverteilung entsteht durch die Überlagerung mehrerer Bestrahlungsfelder aus unterschiedlichen Winkeln, die ihrerseits vielfach segmentiert und dadurch über die Fläche des Querschnitts in ihrer Intensität abgewandelt

Weitere Kostenlose Bücher