Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
Vom Netzwerk:
alternativmedizinischen Verfahren geben. Dann gibt es lediglich wirksame Therapien, unwirksame Therapien und solche, über deren Wirksamkeit noch nicht entschieden werden konnte.
    Daher muss dieser Abschnitt mit einer Enttäuschung enden.
Ich halte das weite Feld der Alternativmedizin nicht für das kaum bekannte und zu selten bereiste Land, in dem verborgene Schätze schlummern. Schätze, die nur gehoben werden müssten, um uns der universellen Heilung aller Krebskrankheiten ein Stück näher bringen.
    Keines der heute propagierten alternativen Verfahren hat je einen halbwegs überzeugenden Hinweis abgeliefert, dass es in der Lage wäre, die eine oder andere Krebsform zurückzudrängen oder gar zu heilen. Damit soll nicht behauptet werden, dass all diese Verfahren a priori und aus Prinzip unwirksam sein müssen. Nur sollte endlich die unglückliche Vorstellung von zwei grundsätzlich unterschiedlichen Arten von Medizin über Bord geworfen werden. Die Medizin muss neugierig all das beschnuppern, was sich auf dem Markt der alternativen Heilverfahren tummelt. Dafür gibt es inzwischen sogar Lehrstühle. Sie muss überprüfen, was hoffnungsvoll erscheint, und übernehmen, was sich als wirkungsvoll erweist. Methoden und Verfahren aber, die geprüftund für unwirksam befunden wurden, sollten getrost auf den großen Müllhaufen der Medizingeschichte geworfen werden.
    Warum habe ich meiner Frau trotzdem und bis zu dem Tag, an dem sie nicht mehr selbst schlucken konnte, den indianischen Zaubertee gekocht? Weder ich noch Imogen glaubten damals ernsthaft daran, dass dieses moorige Gebräu irgendeine greifbare Wirkung auf den Verlauf ihrer Erkrankung haben würde. Aber die Hoffnung ist ein irrlichternder Vogel. Wenn nirgendwo festes Land in Sicht ist, dann verschaffen ihm auch die Trauminseln der Imagination manchmal kleine Verschnaufpausen auf seinem verzweifelten Flug über einen viel zu weiten und viel zu öden Ozean.
    Und mehr noch: Gerade weil Imogen wusste, wie wenig der Glaube an den Tee in meine Vorstellungswelt passte, war sie gerührt, und der tägliche Zaubertee wurde zu einem Ritual der Liebe und des gegenseitigen Vertrauens. Bei allen Krebserkrankungen, die nicht zur Heilung, sondern in den Tod führen, kommt die Erkrankung irgendwann an einen Punkt, an dem die Medizin zurück und ins zweite Glied treten muss. 6 Leben, auch und gerade das Leben von hoffnungslos Krebskranken, braucht Raum für Träume.
    Das große Reich der alternativen Medizin
kann den Stoff für diese Tagträume liefern, nicht mehr und nicht weniger. Solche Träume sind wichtige Ruhekissen. In diesem Sinne können sie komplementär zur Medizin im herkömmlichen Verständnis hilfreich sein. Wer will, mag in ihnen auch eine erweiterte Form der Palliativmedizin sehen. Sie sind kleine Fluchten, aber sie sollten keine Labyrinthe werden, aus denen der Fliehende nicht wieder zurück in die Wirklichkeit findet.
    Vielleicht wäre »Metamedizin« ein passenderer Begriff, weil er das eine oder andere Missverständnis vermeiden könnte. Denn eines sind die Verfahren der Alternativmedizin auf keinen Fall: Sie sind keine Alternative zu etablierten Behandlungsformen der Schulmedizin. Leider gibt es immer wieder Beutelschneider und Scharlatane, zuweilen selbst Opfer ihres eigenen Wahngebäudes, die ihre obskuren Methoden genau dafür ausgeben und tatsächlich etablierte Behandlungsverfahren ersetzen wollen.
    Ist damit bereits alles gesagt? Müssen wir akzeptieren, dass viele Krebserkrankungen auf unabsehbare Zeit unheilbar bleiben? Oder finden wir auch im grauen Reich der Wissenschaft noch Platz für Träume – Träume, die sich womöglich in eine konkrete Utopie übersetzen lassen?

Realität und handfestere Utopien
    1. Januar 2010
    M ir wurde zunehmend kälter. Ich zog die Wolldecke bis an den Hals. Der südliche Teil der Stadt verschwand immer mehr hinter einem Amalgam aus Nebel und Pulverdampf. Nur die Silhouette des Roßbergs, einige hundert Meter über dem Tal, hob sich noch klar gegen den Nachthimmel ab. Das neue Jahr war gerade eine Stunde alt geworden. Aus den Häusern auf der anderen Seite der Straße klangen Fetzen der üblichen Silvesterlustbarkeiten zu uns herüber. Man prostete sich in froher Erwartung auf das kommende Jahr zu. In der Wohnung hinter mir war es still. Unsere kleine Tochter schlief und auch Imogen war längst zu Bett gegangen. Der Krebs war jetzt zum Taktgeber geworden und so konnte Imogen den gliedernden Ritualen des Kalenderjahrs

Weitere Kostenlose Bücher