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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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einzuverleiben. Die Schulmedizin hat keinerlei Berührungsängste – mit einer einzigen Ausnahme.
    Medizin ist, methodisch betrachtet,
eine angewandte Naturwissenschaft und unterliegt erkenntnistheoretisch dem Regelwerk der empirischen Wissenschaften. Wissenschaft, und damit auch Medizin, zeichnet sich durch klar definierte Regeln und Normen für die Aufstellung, Überprüfung, Widerlegung oder Bestätigung von Hypothesen aus. Der große gemeinsame Nenner der Schulmedizin ist die Verpflichtung auf ein naturwissenschaftliches Weltbild – nicht mehr, nicht weniger. Ihr Verständnis vom Körper und seinen Fehlfunktionen fußt auf den Gesetzen der Physik, der Chemie und der Biologie.
    Die Chemotherapie selbst ist allerdings ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass manche Behandlungsformen klinisch eingesetzt werden, ohne dass es eine konsistente Theorie gab, wie diese Therapie eigentlich funktioniert. Solche Formen erkenntnistheoretischer Kurzschlüsse sind unter Umständen legitim und manchmal sogar dringend notwendig. Medizin kann oft nicht warten. Lebensbedrohliche Situationen können zum Handeln zwingen, auch wenn der feste Boden einer wohlbegründeten Theorie fehlt.
    Allerdings muss die Medizin auch solche ad hoc entwickelten Verfahren einem rigorosen Praxistest unterziehen. Diesen Praxistest haben wir bereits kennengelernt. Es ist die klinische Studie. 2 Seit ihrem Eintritt in die Moderne war das Lebenselixier der Medizin die Entwicklung und Überprüfung von Hypothesen mit Hilfe des Experiments und die permanente Evaluierung ihrer Voraussagen und Behandlungsverfahren durch klinische Studien und im medizinischen Alltag. Dabei muss die Medizin unbedingt vorurteilsfrei sein. Auch Behandlungsformen und Verfahren dubioser Herkunft, die von einem mythologischen oder esoterischen Überbau umwölkt werden, gehören nicht prinzipiell zu den Unberührbaren. Sollte ein solches Verfahren die rigorose empirische Prüfung überstehen und sich als wirksam erweisen, ist es an der Medizin, nach plausiblen Erklärungen für seine Wirksamkeit zu suchen.
    Manchmal muss sie ihr Theoriengebäude umbauen, in Teilen sogar umwerfen oder erweitern. Im Normalfall aber findet sie den Mechanismus hinter dem Mythos und damit eine Erklärung, die mit ihrem Weltbild vereinbar ist. Nicht selten wurden in den mit Zauberkraft aufgeladenen Kräutersuden animistischer Medizinmänner Wirkstoffe gefunden, die eine sehr weltliche Erklärung für ihre wundersame Wirkung lieferten. Auch die Studien der Neurophysiologen zu den erstaunlichen Aspekten des Placebo-Effekts sind ein Beispiel für die integrative Kraft der Wissenschaft.
    Aus den Kreisen überzeugter Anhänger
der Alternativmedizin wird gerne der Satz kolportiert: »Wer heilt, hat recht.« Der Satz ist richtig, weil er tautologisch ist. Trotzdem kann er zur Falle werden. Der glückliche Verlauf eines Einzelfalls taugt grundsätzlich nie zum Beweis der Wirksamkeit einer Behandlungsmethode. Post hoc ist nicht propter hoc: 3 Nur weil zwei Phänomene aufeinander folgen, muss es zwischen beiden noch keinen kausalen Zusammenhang geben. Das gilt selbst bei Erkrankungen wie dem Krebs, die ohne Therapie fast immer zum Tode führen. 4
    Oft ist es sogar außerordentlich schwierig nachzuweisen, dass eine bestimmte Heilmethode den Heilungsprozess tatsächlich ursächlich herbeigeführt oder zumindest eingeleitet hat. Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Therapie muss dem exakt festgelegten und komplexen Regelwerk wissenschaftlichen Arbeitens folgen. 5 So gesehen gibt es in der Schulmedizin zwei Kategorien von Diagnose- oder Therapieverfahren. Die einen gehören schon zum Kanon, weil sie die Prüfungen bestanden haben, und die anderen sind noch auf dem Prüfstand.
    Nimmt man die Begriffe »Schulmedizin« und »Alternativmedizin« ernst, dann teilen sie die Welt in zwei streng voneinander getrennte Reiche. Im einen Reich gelten die Gesetze des wissenschaftlichen Arbeitens. Eine kategorische Abgrenzung der Alternativmedizin als Medizin eigener Art kann im Grunde nur bedeuten, dass dieses Regelwerk in ihrem Reich nichts gilt oder für bedeutungslos erachtet wird. Denn einzig und allein die Verpflichtung auf dieses Regelwerk ist es, was die Schulmedizin in ihrem Innersten zusammenhält. Wenn die im Erdenmaßstab geltenden Naturgesetze universell gültig sind – und das ist zumindest die derzeit gängige Arbeitshypothese –, kann es keine prinzipiellen Unterschiede zwischen schul- und

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