Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
Vom Netzwerk:
keinen Sinn mehr abgewinnen. Dieses Silvester sollte wohl ihr letztes sein.
    Ich nahm einen tiefen Schluck aus dem Rotweinglas und noch während mein Blick über die Stadt wanderte, schickten mich meine Gedanken zurück in die Vergangenheit.
    Es waren kaum mehr als vier Monate vergangen, seit diesem fatalen Tag im August, an dem der Krebs in unser Leben zurück gekommen war. Das Hirn des Onkologen in mir wusste damals sofort, dass wir uns jetzt auf einer Reise mit unwägbarer Route, aber mit einem unausweichlichen Ziel befanden. Am Ende dieser Reise stand der Tod. Brustkrebserkrankungen in diesem metastasierten Stadium waren nach dem Stand der Dinge keine heilbaren Krankheiten. Auch Imogen war sich dessen vollkommen bewusst. Die Bilder vom 25. August 2009 sprachen außerdem eine eindeutige Sprache: Ihr Krebs wuchs mit unglaublicher Geschwindigkeit. Auf ein Stillhalteabkommen schien sich diese Krankheit nicht einlassen zu wollen, nicht einmal für wenige Monate.
    In der damaligen Situation war die Empfehlung der Krebsmedizin klar und unzweideutig: Ihre einzige Option war eine »palliative Chemotherapie«. Auch ich hätte jeder anderen Patientin genau diese Empfehlung gegeben. Der Ratschlag war vernünftig und er gründete sich auf viele, viele klinische Studien. Eine palliative Chemotherapie bot keine Aussicht auf Heilung, aber wenigstens die Chance, diesem Krebs noch ein paar Monate, vielleicht sogar ein oder zwei Jahre abzuhandeln.
    Mich aber hatte die Diagnose von Imogens Lungenmetastasen in einen Zustand des gespaltenen Bewusstseins versetzt. Das Hirn des Onkologen schien zu wissen, was zu tun war, aber das Herz des Partners wollte sich damit nicht zufrieden geben.
    Ich suchte also fieberhaft nach etwas Neuem. Echte medizinische Innovationen verbreiten sich in Fachkreisen wie ein Lauffeuer. Es ist eine Fama, dass irgendwo auf unserem Globus Ärzte neue, erfolgreiche Therapien zur Anwendung bringen könnten, ohne dass die Fachwelt dies nicht unmittelbar erfahren würde. Spezialisten nehmen bahnbrechende neue Publikationen ihres Fachgebiets binnen Tagen zur Kenntnis.
    Ich setzte mich also an den Rechner und stöberte durch die großen medizinischen Literatur-Datenbanken. Da die aktuelle Fachliteratur wenig Hoffnungsvolles zu bieten hatte, durchforstete ich auch sämtliche Berichte der großen Krebskongresse der letzten zwei Jahre.
    In San Antonio, Texas, war tatsächlich wenige Monate zuvor auf einem großen Brustkrebskongress eine Studie vorgestellt worden, die mich aufhorchen ließ. Eine US-amerikanische Onkologin hatte einer konventionellen Chemotherapie eine Substanz hinzugefügt, die etwas vollkommen Neues war.
    Gemessen an dem, was eine Optimierung der Chemotherapie normalerweise zu bieten hat, waren die ersten Ergebnisse sehr vielversprechend: Statt des üblichen Drittels sprach über die Hälfte der Patientinnen auf die neue Therapie an und tatsächlich lebten die behandelten Frauen auch fast doppelt so lange wie andere, die ausschließlich eine Chemotherapie erhalten hatten. 7
    Freudig zeigte ich Imogen meinen Fund und diskutierte die Idee auch noch mit einem befreundeten Kollegen in der Schweiz, einem ausgewiesenen Spezialisten für medikamentöse Brustkrebstherapie. Er hatte besagte Studie natürlich ebenfalls zur Kenntnis genommen. Wir alle meinten, dass diese Substanz einen Versuch wert war.
    Allerdings gab es da ein Problem. Der Stoff war noch in der Erprobung und weit davon entfernt, als Medikament zugelassen zu sein. Die Entwicklung solcher Substanzen bis hin zur Zulassung ist so aufwendig, dass sie heutzutage fast ausschließlich in den Händen großer milliardenschwerer Pharmakonzerne liegt. Sie halten die Patente und sie halten die Hand fest auf den Deckeln der Arzneifläschchen.
    So war es auch in diesem Fall. In keiner Apotheke dieser Welt gab es diesenStoff zu kaufen. In nächster Zeit war auch keine weitere passende Studie mit diesem Medikament geplant. Es gab nur einziges potentielles Schlupfloch, doch an die Substanz heranzukommen.
    Das Zauberwort hieß: Compassionate use . Eine gute deutsche Übersetzung des Begriffs gibt es nicht. Er bedeutet nichts weiter als die »Freigabe aus Mitgefühl«. Gemeint ist die gelegentlich praktizierte Vergabe solcher nicht zugelassener Substanzen an einzelne Patienten, die an einer passenden Erkrankung leiden und denen keine vernünftige therapeutische Alternative zur Verfügung steht.
    Damals folgten hektische Tage, angefüllt mit ungezählten Telefonaten

Weitere Kostenlose Bücher