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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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überschritten hat. Auch in unserem Fall sollte sich diese Regel bewahrheiten. Die Frage bleibt, ob es dennoch Grund zur Hoffnung gibt …

10. Kapitel
Sanfte Träume – Gibt es eine Hoffnung auf alternative Krebstherapien?
    Donnerstag, 30. Dezember 2010
    D unkel, trübe und unergründlich wie ein Moorsee blubberte das Gebräu in dem stählernen Kessel, der vor mir auf dem Herd stand. Blasen stiegen auf. Sie rissen eine Vielzahl von Fragmenten wundersamer, mir unbekannter, getrockneter Pflanzenteile mit an die Oberfläche. Langsam kühlte sich der Sud ab. In dem Kessel befand sich ein Kräutertee. Eine Freundin hatte Imogen diesen Tee zugesandt, zusammen mit einem rührenden Brief und Kopien von Berichten über allerlei wundertätige Wirkungen. Die Kräutermischung aus Klettenwurzel, Sauerampfer, Ulmenrinde, Brunnenkresse, Benediktenkraut, Braunalge, Rotkleeblüten und Rhabarberwurzel entstammte angeblich dem über Generationen tradierten Wissen von Medizinmännern und Heilkundigen des Stammes der Ojibwa-Indianer aus dem Osten Kanadas. 1 Dieses Gemisch sollte den euphorischen Bekundungen des Beipackzettels und auch des Internets zufolge bei einer Vielzahl von Krankheiten und Beschwerden – natürlich inklusive Krebs – erstaunliche Wirkungen entfaltet haben. Knapp vier Monate zuvor waren die Metastasen in Imogens Lungen entdeckt worden. Seither hatten wir vier wechselvolle Monate hinter uns gebracht. Seit September ließ ich Imogen in unserer Tagesklinik in regelmäßigem Abstand alle drei Wochen zwei verschiedene Zellgifte in ihre Venen laufen. Diese Chemotherapie hatte eine gewisse Wirkung gezeigt. Den rasch wachsenden Knoten war zunächst einmal Einhalt geboten worden.
    Krebs, der stillhält, wird als geschenkte Zeit empfunden. Trotzdem durchquerten wir in diesen vier Monaten auch Schluchten schwärzester Finsternis. Die Dunkelheit solcher Tage üben allerdings einen seltsam kontrastierenden Effekt auf das Erleben der Zwischenzeiten aus. Knappe Ressourcen erscheinen besonders kostbar. Und so tauchten die normalen, kleinen Rituale des Herbstes plötzlich in ein nie gekanntes, glanzvolles Licht. Im Oktober hattenwir endlich geheiratet, ein wunderschönes, allen überflüssigen Zierrats entkleidetes Fest mit einigen wenigen Freunden. Das Kastanienklauben mit unserer kleinen Tochter, die Spaziergänge im bunten Herbstlaub, im Morgennebel am Fluss, wurden zu Festen des Alltags.
    Vor zehn Tagen hatte sich der Krebs zurückgemeldet. Die Chemotherapie hatte ihre Macht über die Tumorzellen verloren. Plötzlich reichten die kleinen Fluchten des Alltags nicht mehr aus. Was jetzt nottat, waren Träume. Träume sind nicht nur legitim, sie sind schön und unverzichtbar. Sie sind umso schöner, wenn sie einen kleinen, realen Kern haben, der auch im grellen Licht der Wirklichkeit noch Bestand hat, weil er auf eine konkrete Utopie verweist. Im zweiten Teil dieses Kapitel geht es um solche Träume handfesterer Natur, um utopische Geschichten, blaue Blumen, die aber im erdigen Humus eines rasch wachsenden Verständnisses unseres Körpers und der Krebserkrankung wurzeln: Es geht um Fiction , die gleichzeitig auch Science ist.
    Imogen hörte die Geschichten über die konkreten Utopien der Krebsforscher gerne. Sie schienen ihr wie eine Verheißung, die etwas Schönes und Beruhigendes hat. Sie hörte sie gern, obwohl ihr vollkommen klar war, dass sie selbst den Eintritt dieser Verheißungen wohl nicht mehr erleben würde …

Trügerische Alternativen oder: Träume wie Schäume
    Im Schatten des rasant wachsenden Baumes medizinischen Wissens trieb in den letzten 100 Jahren auch ein Pflänzchen aus, das nicht im Boden der naturwissenschaftlichen Tradition des Abendlandes wurzelt. Die Rede ist von der Alternativmedizin oder besser: von allem, was sich hinter diesem Begriff versammelt. Hinter dem Banner der Alternativmedizin scharen sich die Vertreter unterschiedlichster »Heilkunden«, Methoden und Traditionen, von A wie Atemtherapie bis Z wie Zaubertee. Manchmal treten Synonyme wie ganzheitliche oder – etwas bescheidener – komplementäre Medizin an seine Stelle. All diesen Begriffen gemeinsam ist aber eine suggestive Logik, die uns glauben lässt, den vielen medizinischen Disziplinen werde nicht einfach noch eine weitere hinzugefügt, sondern hier sei ganz grundsätzlich ein Gegenmodell zur herkömmlichen Medizin aus der Taufe gehoben worden. Dieser Gegenentwurf pocht – zu Recht oder zu Unrecht – auf Eigenständigkeit,

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