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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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manchmal auch auf Gleichberechtigung neben der konventionellen Schulmedizin.Nicht zuletzt ist damit oft auch die Forderung nach Alimentierung durch das öffentliche Gesundheitswesen verbunden.
    Neben dem erfolgreichen »Label« Alternativmedizin wirkt die überkommene Schulmedizin heute wie ein hässliches Entlein. Durch diesen Begriff stigmatisiert, schmeckt die »Schulmedizin« nach Karbol und bitteren Pillen, wirkt verknöchert, orthodox; es scheint, sie kuriere nur an den Symptomen herum und sei längst an ihre Grenzen geraten. Metastasierte Erkrankungen sind in der Regel auch heute noch unheilbar. Auch die kurativen Methoden konventioneller Medizin sind keine Spaziergänge. Trotz aller Fortschritte produzieren Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie oft nicht unerhebliche Nebenwirkungen. Es ist daher kein Wunder, dass die Verheißung einer alternativen Form von Medizin, einer Medizin, die sanft ist und womöglich sogar dort Heilung versprechen könnte, wo die Schulmedizin mit ihrem Latein am Ende ist, auf fruchtbaren Boden fallen kann.
    Die subtilen Konnotationen der Dichotomie
der Begriffe von Schulmedizin und Alternativmedizin tragen ihren Teil dazu bei. Jeder kennt die Klischees: Die Schulmedizin sei artifiziell, kalt, mechanistisch, nebenwirkungsreich und huldige in unzulässiger Weise einem reduktionistischen Weltverständnis. Die Methoden der alternativen Medizin dagegen seien sanft, natürlich und effektiv, weil sie an die Wurzeln gehen und dabei stets den ganzen Menschen im Auge haben.
    Was ist dran an solchen Klischees? Um sich dieser Frage zu nähern, müssen wir uns klarmachen, worin sich Schul- und Alternativmedizin prinzipiell und systematisch unterscheiden. Der Begriff »Alternative« ist in gewisser Hinsicht eine negative Definition. Ihr Terrain entsteht durch Abgrenzung von der ungeliebten Verwandtschaft. Um diese Grenzen ziehen zu können, müssen wir erst den Geltungsbereich der »konventionellen« Medizin vermessen. Nun ist die Geschichte der Medizin allerdings eine Geschichte des Wandels, der Paradigmenwechsel, der schleichenden wie sprunghaften Veränderungen, eine Geschichte der Spezialisierung und der Diversifizierung. Vom ausgehenden Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es lediglich die »Doctores beyder Arzneyen«, die Chirurgie und ihre konservative Schwester, die (innere) Medizin. Diese beiden Fächer definierten sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Methodik.
    Mit dem wachsenden Verständnis für die Anatomie des Körpers, den Aufbau, die Funktion und die Pathologie der Organe entstanden in der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts die am Organ orientierten Disziplinen wie die Augenheilkunde, die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, die Urologie, die Orthopädie oder die Dermatologie. Quer zu diesen Disziplinen entstanden Fächer wie die Kinder- und Frauenheilkunde – Spezialisierungen, die sich über ihr spezifisches Patientenklientel definieren. Im 20. Jahrhundert ließen neue technische Verfahren und das neue Verständnis funktioneller Zusammenhänge auf molekularer Ebene das Panoptikum der medizinischen Disziplinen um Fächer wie die Endokrinologie, die Mikrobiologie, die Immunologie, die Onkologie, die Strahlentherapie, die Radiologie oder die Nuklearmedizin anwachsen.
    Mittlerweile ist die »Schulmedizin« nicht einmal mehr für den Fachmann zu überschauen, sondern ein Konglomerat von Disziplinen, Diagnose- und Therapie-Verfahren. Sie replantiert Gliedmaßen, rekonstruiert Gesichter und transplantiert Organe, und sie verfügt über ein Repertoire von vielen tausend Medikamenten. Sie nutzt Substanzen aus dem Kräutergarten ebenso chemische Präparate und in Genlabors erzeugte Produkte. Sie arbeitet mit ultravioletter und ionisierender Strahlung, mit Wärme und Kälte, mit Ultraschall und Magnetfeldern, sie salbt, massiert, cremt, schient, schneidet, bohrt, schraubt, näht und transfundiert – und lässt sogar immer noch zur Ader. Sie nutzt High-Tech-Produkte genauso selbstverständlich wie Kräuteraufgüsse, Stützstrümpfe, Massage, wie Gesprächs-, Verhaltens- oder Biofeedback-Therapie. All das und noch viel mehr gehört zum anerkannten Kanon schulmedizinischer Verfahren.
    Die Schulmedizin ist weder auf bestimmte Krankheiten noch auf bestimmte therapeutische oder diagnostische Methoden noch auf ein bestimmtes Patientenkollektiv festgelegt. Die gegenwärtige Medizin ist grenzenlos, kontaktfreudig und manchmal gefräßig, wenn es darum geht, sich neue Ideen und Methoden

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