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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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chirurgisch nicht mehr geholfen werden konnte, nach seiner Methode. Insbesondere bei den Sarkomen der Weichteile sind die publizierten Ergebnisse auch aus heutiger Sicht erstaunlich. Fünf Jahre nach der Behandlung lebte immerhin noch die Hälfte seiner Patienten. Bei Patienten mit Knochenkrebs waren die Erfolge von Coleys Methode dagegen ausgesprochen bescheiden. 6
    Und dennoch, obgleich Coley durchaus überraschende Erfolge vorweisen konnte, durchgesetzt hat sich sein Verfahren nie. Nach seinem Tod geriet es rasch in Vergessenheit. Dafür mag es mehrere Gründe geben. Sein Ansatz warohne Zweifel exotisch und weitab vom Mainstream medizinischen Denkens. Auch wenn sich in den dreißiger Jahren einige weitere Ärzte überzeugen ließen und ebenfalls Coleys Methode anwandten, blieb dieses Verfahren im Wesentlichen eng an seine Persönlichkeit geknüpft. Seine »Bakterientherapie« war im Grunde die gewagte Unternehmung eines Einzelgängers. Coley selbst lieferte dem Vorschub, weil er in seinen zahlreichen Publikationen merkwürdigerweise nie die exakte Präparation seiner Bakterienextrakte beschrieben hatte.
    Unmittelbar nach seinem Tod rückten innovative Verfahren wie die Chemotherapie und die Strahlentherapie ins Rampenlicht der Onkologie. Zudem lagen aber auch Mechanismen der geheimnisvollen Wirkung der Bakterien-Toxine vollkommen im Dunkeln. Das Immunsystem war in den dreißiger Jahren eine Terra incognita, und der Medizin dieser Zeit fehlte das Instrumentarium, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Schließlich hatte Coley selbst das Verfahren fast ausschließlich bei Sarkomen angewendet, die nur einen kleinen Bruchteil aller Krebserkrankungen ausmachen und in der Krebsmedizin von jeher stiefmütterlich behandelt werden. Vielleicht sind aber die heutigen Tumorimmunologen in gewisser Hinsicht die Enkel von William Bradley
Coley.
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    Zumindest scheint die Gleichung Pech × Pech = Glück manchmal aufzugehen. Im März 2003, über 100 Jahre, nachdem Coley dem jungen Sarkom-Patienten seine Mischung aus Bakterien-Toxinen in die Hüfte injiziert hatte, stellte sich in der Freiburger Universitätsklinik ein 61-jähriger Mann vor, der in einer denkbar schlechten Verfassung war. Seit fünf Tagen klagte er über Fieber, Kopfschmerzen und Husten. Sein Blutbild war hochgradig anormal. Alle drei Zellreihen des Blutes, die weißen Blutkörperchen, die Blutplättchen und die roten Blutkörperchen, waren deutlich vermindert. Dafür fanden sich große atypische Zellen im Blut. Diese sogenannten Blasten wiesen unmissverständlich auf Leukämie hin. Die Punktion des Knochenmarks und die Gewebeuntersuchungen bestätigten den Verdacht. Der Mann litt an einer akuten Form der Leukämie.
    Gleichzeitig hatte er alle Zeichen einer Sepsis, einer schweren Blutvergiftung. Aufgrund der Infektion war es unmöglich, ihn wie üblich sofort mit zu Zytostatika zu behandeln. Stattdessen erhielt er für einige Tage eine ganze Palette von Antibiotika. Langsam erholte er sich. Die Infektion ließ nach. Überraschend normalisierte sich auch sein Blutbild. Die Zahl der normalen Leukozyten, Erythrozyten und Thrombozyten stieg wieder an. Die leukämischen Blasten im Blut verschwanden. Nach zwei Wochen wurde er entlassen. ElfTage später tauchte er mit allen Anzeichen einer erneuten Infektion wieder im Krankenhaus auf. Bakterien, die wohl aus seinem Venenkatheter stammten, hatten sich wieder in seiner Blutbahn ausgebreitet. Von der Leukämie dagegen fand sich keine Spur. Er wurde erneut mit Antibiotika behandelt und 17 Tage später wieder nach Hause entlassen. Da weder im Blut noch im Knochenmark Krebszellen zu finden waren, entschlossen sich die Ärzte, ihn zunächst einmal nur zu beobachten, ohne die üblichen Maßnahmen zur Behandlung einer Leukämie zu ergreifen.
    Als der Mann zwei Jahre später
zu einer Routinekontrolle erneut in die Klinik kam, war er immer noch gesund. Die Leukämie blieb verschwunden. Ähnlich wie bei Coleys Patienten verschwand die Erkrankung, nachdem der Patient eine schwere Infektion durchgemacht hatte. Auch Herr S., mein Patient mit einem Karzinom des Mundbodens, starb beinahe an einer Lungenentzündung. Von seinem Krebs aber ließ sich, als er sich erholt hatte, keine Spur mehr nachweisen, obwohl er nur Bruchteile der üblichen Bestrahlungsdosis erhalten hatte.
    Beim Durchforsten der Fallberichte von Patienten mit Spontanremissionen fällt auf, dass häufig und weit mehr als zufällig über schwere Infektionen berichtet wird, die

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