KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
Sisyphusarbeit. Sie hatte in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit aus Tonnen von Pechblende, einem Uransalz, winzige Spuren eines neuen geheimnisvollen Elements isoliert. Dieses Element leuchtete im Dunkeln und hinterließ auf Fotopapier seltsame schwarze Spuren. Es sandte drei Arten unsichtbarer Strahlung aus. Die Substanz war nicht stabil, sondern zerfiel spontan in andere Elemente und sandte beständig Heliumatome aus. Folgerichtig hatten Marie Curie und ihrMann Pierre aufgrund dieser Strahlung das neue Element Radium getauft und damit auch den Begriff Radioaktivität geprägt.
Nach der Reise durch die Vereinigten Staaten ging es Madame Curie gesundheitlich immer schlechter. Sie litt unter Blutarmut (Anämie). Ihre Ärzte rätselten über die Ursachen. Sie selbst äußerte im privaten Kreis zwar vorsichtig den Verdacht, ihre Blutarmut könnte etwas mit der jahrelangen Arbeit in den Laboratorien zu tun haben, aber ein direkter Zusammenhang mit der Strahlung wurde von den Ärzten ausgeschlossen. Dr. E. H. Rogers, den Marie Curie konsultiert hatte, äußerte noch Anfang der zwanziger Jahre in einem Interview mit der New York Times : »Es gibt keinen dokumentierten Fall eines Menschen, der durch Strahlung geschädigt worden ist.« 21 Die Anämie verschlimmerte sich weiter. Im Juli 1934 starb Marie Curie an einer Lungenentzündung in Folge der sogenannten aplastischen Anämie, einer seltenen Erkrankung des Knochenmarks.
Marie Curie war bei ihrer Arbeit sehr hohen Dosen von Radioaktivität ausgesetzt. Sogar ihre Briefe müssten eigentlich noch heute als radioaktiver Sondermüll entsorgt werden. 22 Ihre Tochter Irène Joliot-Curie war eine hochdekorierte Wissenschaftlerin. Auch sie hatte viel mit radioaktiven Isotopen gearbeitet. Sie starb mit nicht einmal 60 Jahren am 17. März 1956 an Leukämie. Beruht das Schicksal von Marie und Irène Curie einfach auf tragischen Zufällen, oder sollten beide tatsächlich der Strahlung zum Opfer gefallen sein?
Knapp 25 Jahre vor Marie Curies Reise in die Vereinigten Staaten hatte die Welt durch die Arbeit eines scheuen und bis dahin weitgehend unbekannten Würzburger Professors von der Existenz einer neuen Art von Strahlung erfahren. Beinahe zufällig bemerkte Wilhelm Conrad Röntgen ein schwaches Glimmen auf einem mit Bariumplatincyanid behandelten Leuchtschirm, als er mit Gasentladungsröhren experimentierte. Röntgen stellte fest, dass diese neue Strahlung, anders als beim Licht, den Schirm selbst dann zum Leuchten anregte, wenn der Weg zwischen Röhre und Schirm durch optisch dichte Materialien wie geschwärztes Papier verstellt wurde. Röntgen versuchte die Strahlungsquelle in der Röhre näher zu lokalisieren und stellte fest, dass sich die Strahlen auch mit zunehmender Entfernung von der Quelle kaum abschwächten. Er experimentierte weiter und führte verschiedene Materialien zwischen Strahlenquelle und Fotoplatte ein. Relativ mühelos durchdrang die neue Strahlung auch Festkörper und wurde dabei nur von dichteren Materialien wie Metall oder Knochen teilweise absorbiert. Bei einem dieser Versucheentstand das berühmte erste Röntgenbild der Welt, eine Aufnahme der Hand des Anatomen Geheimrath von Kölliker mit Ehering am Finger. Röntgen beschrieb zwar schon recht präzise einige Eigenschaften dieser von ihm sogenannten X-Strahlen. Erst 20 Jahre später gelang es Max von Laue, Walter Friedrich und Paul Kipling, die wahre Natur der Strahlung zu klären.
X- oder Röntgenstrahlen 23 sind, wie wir heute wissen, ein bestimmter Ausschnitt aus dem breiten Spektrum elektromagnetischer Wellen. Bei Radio- und Mikrowellen, Infrarotstrahlung, sichtbarem oder ultraviolettem Licht handelt es sich – je nach Betrachtungsweise – immer um eine Variation elektromagnetischer Wellen oder masseloser Teilchen, die wir Lichtquanten oder Photonen nennen. Lediglich durch ihre Wellenlänge und ihre Frequenz, mit der sie schwingen, unterscheiden sie sich.
Im Physikunterricht haben wir gelernt, dass die Strahlungsenergie beziehungsweise die Energie eines Photons wächst, wenn seine Wellenlänge ab- und die Frequenz zunimmt. Röntgenstrahlung ist sehr kurzwellig (< 240 Nanometer 24 ) und besitzt genügend Energie, um Elektronen aus der Atomhülle herauszuschlagen. Auf diese Weise kann sie Moleküle ionisieren und chemische Bindungen zwischen Atomen aufbrechen, weshalb man sie auch ionisierende Strahlung nennt.
1896, ein Jahr nachdem Röntgens Entdeckung mit dem lapidaren Titel Über eine neue Art
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