KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
Entstehung der meisten Krebserkrankungen nichts mit Radioaktivität zu tun.
Eine Sache ist aber höchst auffällig: Wie bei den Karzinogenen führen auch hohe Dosen ionisierender Strahlung nie zwangsläufig zum Krebs. Sie erhöhen aber das statistische Risiko, an bestimmten Krebsformen zu erkranken. Strahlung wirkt also im Hinblick auf die Entstehung von Krebs ebenfalls stochastisch. Auch hier scheint im Einzelfall der Zufall seine Hand im Spiel zu haben.
Eine vierte Spur: Krebs als Bürde der Vergangenheit?
Nature or nurture? Natur oder Erziehung? Falls Frauen tatsächlich schlechter einparken, liegt das an ihren Genen? Oder fahren sie – statistisch betrachtet – einfach seltener Auto? Ist das Y-Chromosom schuld, wenn Männer schlechter zuhören, oder liegt das am über Generationen trainierten Kampf um die Lufthoheit am Stammtisch?
Die Frage nach den genetischen (soll heißen vererbten) Komponenten menschlicher Fähigkeiten oder Eigenschaften ist alles andere als harmlos. Sie ist ein Politikum und birgt viel Potential für Konflikte, Missverständnisse und Fehlinterpretationen. Unstrittig ist die Bedeutung der Vererbung für vergleichsweise unproblematische Eigenschaften wie die Farbe unserer Haare oder unserer Augen. Geht es aber um genuin menschliche Fähigkeiten im weiteren Sinn, kann nature or nurture zur Gretchenfrage werden. Sie merken vielleicht, wir betreten ein gesellschaftspolitisches Minenfeld. Was bei Debatten über die Ursachen von Geschlechterunterschieden unter Umständen noch spielerischen Charakter haben kann und für den einen oder anderen Gemeinplatz am Stammtisch oder beim Stehempfang taugt, wurde nur zu oft zur Quelle blutiger Konflikte, wenn es um die Frage nach den Wurzeln scheinbarer,vermuteter oder tatsächlicher Unterschiede zwischen Rassen, Ethnien, sozialen Schichten oder Nationalitäten ging.
Diese Büchse der Pandora
soll hier nicht geöffnet werden. Aber wenn wir schon diskutieren, ob Fähigkeiten wie Bälle fangen, Kopfrechnen oder Aggressivität zum Teil durch unsere genetische Ausstattung festgelegt sind, so sollten wir uns erst recht fragen, ob auch das Krebsrisiko eine erbliche Komponente haben könnte.
Es ist durchaus von Bedeutung, ob eine Krankheit ausschließlich oder zum Teil eine ererbte Bürde ist oder ob sie ganz und gar als Produkt unserer Lebensumstände interpretiert werden muss. Dieses Wissen kann für Fragen wie Prävention und Früherkennung und auch für die Entwicklung geeigneter Behandlungsstrategien entscheidend sein.
Warum sollte Krebs eine Erbkrankheit sein? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns – wie bei den Vergiftungen oder den Infektionskrankheiten – erst klar machen, was mit dem Begriff Erbkrankheit überhaupt gemeint ist. Und genau an dieser Stelle beginnen die Schwierigkeiten. Wir müssen lernen zu unterscheiden, was Erbkrankheiten im engeren Sinn sind und was es bedeutet, wenn von Krankheiten mit erblicher Komponente die Rede ist.
Schürft man im Internet nach Informationen über medizinische oder biologische Themen, dann sind die großen Datenbanken der amerikanischen National Institutes of Health eine wahre Goldgrube. 53 Dort finden sich riesige Literaturdatenbanken von Fachartikeln, 54 aber auch Informationen zu unzähligen biologisch bedeutsamen Molekülen, Proteinen und ihren Genen. Beim virtuellen Schlendern über die diversen Oberflächen kann man auf eine große Datenbank mit dem seltsamen Namen OMIM stoßen. Das ist ein Akronym und steht für Online Mendelian Inheritance in Men. Diese Datenbank ist eine Übersicht über alle bekannten Erbkrankheiten im klassischen Sinn. Sie bietet detaillierte Informationen zu den Entstehungsmechanismen und Charakteristika von über 5000 erblichen Krankheiten oder Syndromen. Den Begriff Krebs als eigenständige Erbkrankheit werden wir dort vergeblich suchen.
Der Begriff Mendelian Inheritance (Mendelsche Vererbung)
ist ein zentraler Terminus technicus der Biologie. Sie ehrt einen Mann, der gar kein »professioneller« Naturwissenschaftler, sondern Geistlicher war. Trotzdem wurde er nach Charles Darwin zur vielleicht bekanntesten Persönlichkeit in der Geschichte der Biologie.
Johann Mendel war seit 1843 Mönch und ab 1868 Abt in der Augustiner-Abtei St. Thomas in Alt Brünn. Hier erhielt er seinen Ordensnamen Gregorius. Mendel war Priester. Aber er hatte von 1851 bis 1853 an der Universität Wien unter anderem auch Experimentelle Physik bei Christian Doppler, dem Entdecker des
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