KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
unser Krebsrisiko beeinflussen?
Vorgriff auf Mittwoch, den 7. Oktober 2009,
den Tag vor unserer Hochzeit.
E in Tag wie Samt und Seide; eine goldene Herbstsonne schien vom tief-blauen Himmel. Ich war auf der Jagd. Rechts und links säumten die Stände und Buden des Tübinger Wochenmarkts meinen Weg.
Am kommenden Morgen wollten wir im Alten Rathaus der Stadt endlich heiraten. Imogens Krankheit und die notwendigen Therapien hatten uns gezwungen, den lange gehegten Wunsch immer wieder hinauszuschieben. Am nächsten Tag sollte es also so weit sein, und ich mäanderte durch die Marktgassen, um die Zutaten zu unserem Hochzeitsmenu zu ergattern. Ich koche gerne selbst. Freunde behaupten sogar, ich koche ganz ordentlich. Jedenfalls laden sie sich immer wieder ein.
Als Vorspeise war ein Kressesalat in einer Marinade aus Schalotten und Granatapfelkernen geplant, dann eine Rote Bete-Suppe mit Äpfeln, Sellerie und Ingwer. Als Hauptgericht sollte eine Hirschkeule aus dem nahen Schönbuch folgen, in einer Rosmarinkruste langsam gegart, dazu roter Reis, Rotkohl und ein Pilzragout. Für den Nachtisch plante ich einen Salat aus Waldbeeren. Ein paar gute Flaschen Lemberger und ein südliches Pendant aus der Maremma hatte ich bereits in der Tasche. Es wird Sie vielleicht wundern, dass ich Sie an dieser Stelle mit Details aus unserem Hochzeitsmenu behellige, aber dieses Menu war nicht nur eine Liebeserklärung mit Kochlöffel und Bratpfanne. Es war auch ein kleiner Teil eines großen Plans.
Schon kurz nachdem Imogen vor nunmehr eineinhalb Jahren mit ihrer Diagnose konfrontiert worden war, fing sie an zu lesen. Sie verschlang in den Folgemonaten tausende Seiten Literatur über Krebs und über Menschen, die über ihre Krebserkrankung Bericht erstatten. Sie war auf der Suche. Von Anfang an war sie darauf bedacht, ihr Schicksal nicht vollständig in fremde Hände legen zu müssen.
Obwohl oder vielleicht gerade weil ich seit fast 15 Jahren jeden Tag als Arzt mit Krebserkrankungen konfrontiert war, wurde mir die wahre Bedeutung dieser anderen Perspektive erst nach und nach klar. Imogen war es, die mich mit der Nase auf Themen gestoßen hat, die ich in meiner Fixierung auf die klassischen Methoden der Krebstherapie jahrelang ignoriert und ehrlich gesagt auch nicht immer ernst genommen habe.
Sicher ging es ihr in erster Linie darum, alles nur Erdenkliche zu tun, ihre Überlebenschancen zu verbessern. Sie wollte leben – fast um jeden Preis. Vor gerade sechs Wochen war unsere kleine Tochter zwei Jahre alt geworden. Imogens brennende Frage lautete: Was kann ich selbst tun? Es muss mehr geben, als nur auf die Ärzte zu hören und sich die auszusuchen, die möglichst viel von ihrem Handwerk verstehen.
Mir – und vielleicht auch Imogen selbst – war nicht klar, dass dieser Gedanke auch das Leben mit dem Krebs und nach dem Krebs verändern kann. Unabhängig davon, ob die Maßnahme schließlich von Erfolg gekrönt wird, erhält das Leben mit oder nach dem Krebs dadurch eine andere Qualität. Eigeninitiative ist ein Weg, das verlorene Vertrauen in das Ego und den eigenen Körper zurückzugewinnen. Das Gefühl, auch selbst noch Fäden in der Hand zu halten, ist ein täglicher kleiner Sieg über eine Krankheit, die in ihrer Totalität dazu neigt, sich weit über alle körperlichen Symptome hinaus des ganzen Menschen zu bemächtigen. Krebs stellt alles, was im Leben des oder der Betroffenen bislang von Bedeutung war, unter Vorbehalt. Daher ist auch alles, was ein Krebspatient für sich selbst tut und tun kann, ein kleiner Schritt hin zur Rückeroberung der persönlichen Autonomie.
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Neben meinem persönlichen Geschmack und dem saisonalen Angebot führten also noch ganz andere Aspekte Regie bei der Auswahl der Ingredienzien unseres Hochzeitsmahls. Sie werden dahinterkommen, wenn Sie die nächsten Seiten gelesen haben.
Es geht im Folgenden um Eigeninitiative, um die Frage, ob wir durch bewusste Änderungen unseres Lebensstils unser Krebsrisiko oder den Verlauf einer Krebserkrankung positiv beeinflussen können. Wer nach Nadeln im Heuhaufen sucht, sollte eine Strategie haben. Grundsätzlich ist es möglich, die Dinge entweder durch aktives Tun oder durch Unterlassen zu beeinflussen.Fangen wir mit den Möglichkeiten des Unterlassens an. Hier scheinen die Verhältnisse klarer und die Zusammenhänge einfacher zu sein.
Alkohol
Wein oder ganz allgemein alkoholhaltige Getränke gehören für viele von uns zur Geselligkeit und zu einem
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