Kreuz des Südens
war sie noch jung, und als der Stadtrat sie ernannt hatte, hatte sie gleich das Heft in die Hand genommen und einige Änderungen eingeführt. Obwohl sie die Intimsphäre von Jugendlichen, die sich kleinerer Vergehen schuldig gemacht hatten, respektierte und die Öffentlichkeit ausschloss, kannte sie bei gröberen Verstößen keine Nachsicht.
»Guten Morgen, Officer Brazil«, sagte Richterin Davis, als Brazil sich in die erste Reihe setzte. Der Gerichtsdiener überreichte der Richterin Weeds Akte.
»Guten Morgen, Euer Ehren«, sagte Brazil. Ein Hilfssheriff begleitete Weed in den Saal und platzierte ihn der Richterin gegenüber. In seinem schlecht sitzenden blauen Overall und den schwarzen, hoch geschnürten Turnschuhen, Anstalts-Modelle von Spalding, wirkte er noch kleiner. Doch Weed hielt seinen Kopf stolz erhoben. Er machte weder einen niedergeschlagenen Eindruck, noch schien er sich zu schämen. Im Gegensatz zum Staatsanwalt Jay Michael und seiner Pflichtverteidigerin Sue Cheddar oder Mrs. Gardener, die in der Tür stand und dem Gerichtsdiener erklärte, wer sie war, wirkte es, als ob er sich auf die Verlesung der Anklageschrift sogar freute.
»... ja, ja, mein Sohn«, hörte Brazil Mrs. Gardener sagen.
»Mrs. Gardener?«, fragte Richterin Davis.
»Ja«, flüsterte Mrs. Gardener.
Weeds Mutter hatte ein frisch aussehendes blaues Kleid an, dazu passende Schuhe, doch ihr Gesicht strafte ihre hübsche Fassade Lügen. Ihre Augen sahen verquollen und erschöpft aus, als ob sie die ganze Nacht geweint hätte. Ihre Hände zitterten. Als Brazil sie endlich am Telefon hatte, um ihr von Weed zu erzählen, war sie in Tränen ausgebrochen und hatte sich vorgeworfen, als Mutter versagt zu haben. Dann hatte sie Brazil erzählt, dass sie seit Twisters Tod nichts mehr fühlte und ihr alles egal war.
»Sie dürfen nach vorne kommen«, sagte die Richterin freundlich zu Mrs. Gardener.
Mrs. Gardener ging vor und setzte sich still an den Rand der ersten Reihe, so weit von Brazil entfernt wie möglich. Weed drehte sich nicht um.
»Erwarten Sie noch andere Familienmitglieder?«, fragte die Richterin Mrs. Gardener.
»Nein, Ma'am«, sagte sie knapp.
»Gut«, sagte Richterin Davis zu Weed, »dann werde ich dir mal deine Rechte vorlesen.«
»Okay«, sagte er.
»Du hast das Recht auf Verteidigung, auf eine öffentliche Anhörung, auf Aussageverweigerung, wenn du dich damit inkriminieren würdest, auf das Aufrufen von Zeugen und darauf, sie ins Kreuzverhör zu nehmen, Beweismittel vorzulegen sowie gegen ein endgültiges Urteil dieses Gerichts Rechtsmittel einzulegen.« »Danke«, sagte Weed. »Hast du das verstanden?« »Nein.«
»Es bedeutet, Weed, dass du das Recht hast, dir einen Anwalt zu nehmen, und du heute Morgen nichts sagen musst, was dich inkriminieren könnte. Die anderen Rechte werden erst relevant, wenn es zu einer Hauptverhandlung kommt. Kommst du damit jetzt zurecht, hast du das verstanden?«
»Was bedeutet inkrimilieren?«
»Zum Beispiel etwas sagen, was man gegen dich verwenden könnte.«
»Woher weiß ich, wann ich das mache?«, fragte Weed.
»Ich werde dich unterbrechen, wenn du damit anfängst. Ist das ein Vorschlag?«
»Was passiert, wenn Sie mich nicht schnell genug unterbrechen?«, fragte Weed.
»Da passe ich schon auf, mach dir keine Sorgen.«
»Versprechen Sie das?«
»Ja«, antwortete Richterin Davis. »Nun.« Sie sah Weed an. »Ziel dieser Anhörung ist es, zu entscheiden, ob ich dich bis zu deiner Hauptverhandlung weiterhin in Arrest behalte oder dich gehen lasse.«
»Ich möchte weiterhin in Arrest bleiben«, sagte Weed. »Darüber sprechen wir im Verlauf der Verhandlung«, sagte die Richterin.
Sie sah auf die Anträge, die Brazil unterschrieben hatte. »Weed, dir werden nach dem Gesetz von Virginia folgende Vergehen vorgeworfen: 18.2-125, Betreten eines Friedhofs außerhalb der Öffnungszeiten; 18.2-127, Beschädigung von Kirchen, kirchlichem Eigentum, Friedhöfen, Begräbnisstätten etc. und 182.2-138.1, mutwillige und böswillige Beschädigung oder Verunstaltung von öffentlichem oder privatem Eigentum.« Sie beugte sich nach vorne. »Verstehst du die Schwere dieser Anschuldigungen?« »Ich weiß nur, was ich getan habe und was nicht«, sagte Weed.
»Glaubst du, dass du schuldig bist oder nicht?«
»Kommt darauf an, was passiert, wenn ich das eine oder das andere sage«, erwiderte Weed.
»Weed, so geht das nicht.«
»Ich will nur sagen, was ich weiß.«
»Dann plädiere für nicht
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