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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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der Leibesvisitation nach seiner Verhaftung
im Flughafen war uns aufgefallen, dass die Klamotten ungewöhnlich schwer waren
und die sehr leicht wirkende Stoffreisetasche auch leer noch gut anderthalb
Kilo wog.
    Mit dem
sichergestellten Geld kann man Reinicke zwar sicher den Banküberfall auf die
Commerzbank-Filiale am Mehringdamm nachweisen.
    Aber den
Mord an Swantje Steffens?
    Wir
haben uns in unserem Büro versammelt. Kriminaloberrat Dr. Edmund Palitzsch
hat für jeden ein Glas Sekt springen lassen. Damit wir auf unseren Erfolg
anstoßen können. Aber so richtig freuen können wir uns noch nicht. Dafür gibt
es zu viele Unwägbarkeiten.
    Sicher, wir
haben einen Zeugen. Siegbert Meyer. Ihn hatte Lothar Reinicke in seine Gewalt
gebracht, weil er in ihm einen Mitwisser befürchtete. Und zweifellos hatte er
Meyer gegenüber auch zugegeben, dass er der Mörder seiner Exfrau war. Doch vor
Gericht sieht die Sache schon ganz anders aus.
    Reinicke
war mit seiner Beute erwischt worden, es macht also wenig Sinn für ihn, den
Überfall auf die Bankfiliale zu leugnen. Er war unbewaffnet gewesen, auch wenn
er eine Bombe vortäuschte. Es gab keine Verletzten, und er ist Ersttäter, ein
bislang unbescholtener Mann ohne Strafregister. Das alles wird das Gericht zu
seinen Gunsten auslegen. Er bekäme eine maximale Freiheitsstrafe von fünf
Jahren und wäre bei guter Führung nach drei Jahren wieder auf freiem Fuß.
    Vorsätzlicher
Mord dagegen ist etwas anderes. Dafür gibt es lebenslänglich, also mindestens
fünfzehn Jahre Haft. Reinicke wird die Tat abstreiten. Um jeden Preis. Zu viel
steht für ihn auf dem Spiel. Selbst wenn Meyer als einziger Belastungszeuge
aussagt, braucht Reinicke nur zu leugnen, und schon heißt es: Aussage gegen
Aussage. Im Zweifel für den Angeklagten.
    Wir müssen
Lothar Reinicke den Mord an Swantje Steffens also nachweisen und die Anklage
mit Indizien untermauern. Am Wichtigsten sind dabei die Schuhe, die er während
seiner Verhaftung trug: Sie hatten im linken Sohlenprofil ein kleines
eingetretenes Steinchen, und ich bin mir sicher, dass sie nicht nur mit den von
Damaschke sichergestellten Spuren vom Bankraub, sondern auch mit denen am
Tatort im Viktoriapark und in der Wohnung von Swantje Steffens übereinstimmen.
    Aber reicht
das?
    Vor
allem fehlt uns ein Motiv: Warum hat Reinicke seine Exfrau umgebracht?
    Weil sie
von dem Bankraub wusste. Und ihren geschiedenen Mann als Täter erkannte.
    Aber wie
ist sie dahintergekommen?
    »Der
Zeitungsartikel«, überlege ich laut. »Es muss mit dem Zeitungsartikel
zusammenhängen. Warum sonst hat sie ihn ausgeschnitten?«
    Und was
bedeuten die Zahlen, die sie an den Rand geschrieben hat?
    »Zehn,
neun, zweiundsiebzig.« Hünerbein starrt an die Decke. »Vielleicht ein Datum?«
Er sieht uns an. »10. September ’72?«
    »Was war
denn da?«
    Hünerbein
zuckt die Schultern. »Die Olympiade im München, glaube ich. Das Attentat.«
    »Das war am
5. September«, widerspricht Beylich.
    »Der
Reinicke hat ausgesagt, dass er Swantje Steffen ’72 in Ostberlin kennengelernt
hat«, werfe ich ein. »Es kann also durchaus ein Datum sein, das mit den beiden
zusammenhängt.«
    »Vielleicht
der Hochzeitstag?« Palitzsch sieht fragend in die Runde. »Kriegen wir das
raus?«
    »Aber klar
doch.« Beylich greift zum Telefon.
    »Gehen wir
noch mal die Akten vom Raubdezernat durch.« Ich hole mir die Ordner heran. »Da
gab es doch dieses rote Tuch, mit dem sich Reinicke maskiert hatte und das er
bei seiner Flucht in einen Abfalleimer geworfen hat. Es wurde auch in der
Zeitung erwähnt. Es gab sogar ein Foto davon. – Hier!« Ich zeige es herum.
»Vielleicht kannte Swantje Steffens dieses Tuch und hat daraus ihre Schlüsse
gezogen? Und weil sie selbst unter Geldnot stand, versuchte sie, ihr Wissen für
sich zu nutzen. Sie erpresste ihren Mann: Entweder Geld, oder ich lasse dich
hochgehen.«
    Hünerbein
nickt. »So könnte es gewesen sein. Reinicke zeigt sich scheinbar kooperativ und
lockt sie zu einem vermeintlichen Treffen in den Viktoriapark. Und dort hat er
sie dann umgebracht.«
    »Und wie
wollt ihr diese Theorie untermauern? Bislang sind das nur Mutmaßungen«, mahnt
Palitzsch, »nichts als Vermutungen. Wir brauchen aber Beweise!«
    »Wir haben
die Fußspuren«, sagt Hünerbein.
    »Und wir
machen eine Stimmprobe«, setze ich hinzu. »Der Reinicke soll eine Stimmprobe
abgeben, die wir dann mit dem Anruf von der Mordnacht abgleichen.«
    »Ich
kümmere mich drum.« Matuschka

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